Professor Marius Gilbert von der Freien Universität Brüssel ist formell: "Einen Handelskrieg haben wir bereits. Aber einen Krieg um die besten wissenschaftlichen Köpfe, den wollen wir nicht", sagt der Vize-Rektor der ULB. Die Wissenschaft dürfe sich nicht durch die multiplen Krisen vereinnahmen lassen. Wissenschaft funktioniere durch Kooperation und nicht durch reinen Wettbewerb.
Und doch strecken verschiedene europäische Universitäten ihre Fühler Richtung USA aus: Wissenschaftler sollen angelockt werden, um ihre Forschungen in Europa weiterführen zu können. Auch die Freie Universität Brüssel bietet 36 freie Post-Doktorantenstellen für internationale Wissenschaftler an. Doch explizit amerikanische Forscher ansprechen? Das sei nicht der Plan der Uni, so Gilbert: Man werde in den USA, aber auch in Europa die Stellen bewerben.
Und wie sehen das die Forscher in den USA? Dr. Alice Schoonbroodt stammt aus Eupen. Aktuell unterrichtet die Ökonomin an der Georgia University. "Die USA haben 20 von den besten 30 Forschungsunis der Welt. Wo das herkommt? Das ist ein riesiges Ökosystem von Forschungsinstitutionen, die dazu beitragen, dass diese 20 auch so gut sein können. Um in Europa auf dieses Niveau zu kommen, sind noch Meilen dazwischen. Von daher wird man das nicht von heute und morgen einfach als Gelegenheit sehen können und die Leute über den Teich ziehen können. Die müssen schon sehr, sehr viel verlieren in den USA, um irgendwo anders hinzugehen."
Damit meint Dr. Alice Schoonbroodt nicht nur wissenschaftliche Forschungsfreiheit. Sondern auch Geld. "Meiner Ansicht nach wird das Gehalt niedriger sein. Also wirst du die Leute anziehen, die so oder so lieber in Europa gelebt hätten. Oder die Leute, die Risiko nicht gerne haben. Oder die Leute, die gerne mal einen Abstecher nach Europa machen. Gerade nach einem Doktorat. Nicht unbedingt die Top-Forscher. Also es ist nicht so einfach das zu rekreieren, was wir hier in den USA haben."

Besonders die Art und Weise, wie US-Präsident Trump den Kahlschlag in Wissenschaft und Forschung vorantreibt, kritisiert auch Schoonbroodt. Trotzdem kann sie nachvollziehen, dass Einschnitte vorgenommen werden: "Ich glaube die Forschung und vieles ist in die Woke-Richtung gezogen und sehr stark finanziert worden. Auch da wurden Abstriche im freien Forschen gemacht. Wenn man jetzt an der anderen Seite zieht, fände ich das im Prinzip keine schlechte Idee. Aber der Prozess, mit dem das gemacht wird, geht mir gegen den Strich. In der Forschung sollte eigentlich keine Politik drin sein. Und da war eine Politik vorher - und da ist jetzt eine neue. Mir wäre es lieber, wenn gar keine Politik da wäre."
Differenziert zeichnet sich also das Bild der aktuellen Trump-Politik. Der Weckruf für Europa, unabhängiger zu werden, sei neu und recht brutal gewesen, sagt der ULB-Vize-Rektor Marius Gilbert. Viel Geld fließe nun in die Wiederbewaffnung. Investitionen in Forschung und Innovation müssten weiter vorangetrieben werden. Das sei es, was eine Gesellschaft nach vorne bringe, so Marius Gilbert.
Simonne Doepgen