Ein Mann, ein Wort. Schon kurz nach den tödlichen Schüssen am Samstagabend an der U-Bahnstation Clemenceau in Anderlecht sagte Innenminister Bernard Quintin zu Journalisten der VRT: "Ich werde mich am Montag und Dienstag mit den zuständigen Diensten treffen, um die Vorfälle zu analysieren und neue Maßnahmen vorzuschlagen. Wir müssen schauen, was wir tun können".
Das angekündigte Treffen stand dann am Montagvormittag tatsächlich auf der Agenda von Quintin. Seit halb zwölf soll die Suche nach Antworten auf die Vorfälle laufen, die Anderlecht schon seit Beginn des Monats in Atem halten. Am 5. und 6. Februar wurde zunächst an der U-Bahnstation Clemenceau geschossen. Männer mit Kalaschnikows sind auf Video-Aufnahmen zu sehen. Ein Mann, der nichts mit der Schießerei zu tun hat, wird bei der zweiten Schießerei am Bein verletzt.
Das erste Todesopfer fällt dann in den frühen Morgenstunden des 7. Februars im nördlichen Problemviertel Peterbos. Die Tat von Samstag wird jetzt als Racheakt für diesen Mord gewertet. Grundsätzlich sollen die Schießereien in Anderlecht von zwei Banden aus dem Drogenmilieu ausgehen. Beide kontrollieren bereits unterschiedliche Stadtviertel in Anderlecht und streiten sich jetzt um den Einfluss auf die U-Bahnstation Clemenceau. Dort soll der Drogenhandel äußerst attraktiv sein.
Aufgrund der Vorfälle zu Beginn des Monats war die Polizeipräsenz rund um die U-Bahnstation verstärkt worden. Auch am Samstagabend war die Polizei nicht weit vom Tatort entfernt. Anderlechts Bürgermeister Fabrice Cumps von der PS berichtet: "Polizisten waren rund 70 Meter von dem Ort entfernt, an dem die Schüsse fielen. Das zeigt deutlich: Polizeipräsenz ist wichtig, aber das reicht nicht aus. Man muss weiter versuchen herauszufinden, welche Banden hinter diesen Schießereien stecken und die Straßenzüge hier kontrollieren".
Cumps Parteigenosse und Bürgermeister von Charleroi, Thomas Dermine, versuchte am Montagvormittag im Radio der RTBF aus den Vorfällen politisches Kapital zu schlagen. Er sieht den gerade erst ins Amt eingeführten MR-Innenminister in der Pflicht. "Wir haben die Polizei, die vor Ort ist. Minister und Bürgermeister sind auch da, die an der U-Bahnstation Selfies von sich machen, und am Tag danach gibt es den nächsten Anschlag", sagte Dermine. "In der Vergangenheit gab es Innenminister, die schon wegen weniger schwerwiegenderer Anlässe zurückgetreten sind."
Von solchen Rücktrittsforderungen lässt sich Quintin bislang nicht beeindrucken. Er will zunächst weiter versuchen, die Macht des Staats weiter zu stärken. Ziel der Gespräche am Montag und vielleicht in den kommen Tagen soll es laut Quintin sein, den Bürgern zu zeigen, dass die Regierung Vorfälle wie in Anderlecht nicht akzeptieren werde.
Das Problem der Drogenbanden und der Gewalt, die von diesen Banden in Brüssel ausgeht, macht sich derweil schon in europaweiten Statistiken bemerkbar. Das flämische Friedensinstitut führt mit Unterstützung der EU Buch darüber, wie oft in europäischen Städten im Jahr geschossen wird. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl für Brüssel von 23 auf 78. Hinter Neapel und noch vor Marseille liegt Brüssel jetzt auf Platz zwei der Städte in Europa mit den meisten Schießereien.
Kay Wagner