"Freitag ist die Deadline, Freitag gehe ich zum König" - Regierungsbildner Bart De Wever bleibt also dabei: Wenn es am Freitag keine Einigung gibt, dann ist das das Ende des Arizona-Abenteuers. Genau das habe er auch mit dem Staatsoberhaupt vereinbart.
Das muss man jetzt auch nicht allzu wörtlich nehmen. Zum Beispiel ist jedem klar, dass das Land am Freitag unmöglich schon eine neue Regierung haben kann. Dafür ist es jetzt schon zu spät. Nein, was De Wever damit meint: dass er am Freitag nicht mehr mit leeren Händen in den Palast gehen will. Er braucht einen entscheidenden Durchbruch. Und da gibt es kein Vertun: Das wäre eine Einigung über den Haushalt und die sozialwirtschaftlichen Reformen, also über die sogenannte Supernote. Weniger geht nicht, denn diese Supernote ist die Krux.
Eben diese Supernote sollte eigentlich am Sonntag in großer Runde besprochen werden. Deswegen hatte man auch schon vom Wochenende der Wahrheit gesprochen. Dieser "Ça passe ou ça casse"-Moment musste dann aber doch schon wieder verschoben werden. De Wever hatte im Vorfeld Einzelgespräche mit den Vertretern der vier anderen Parteien geführt, um festzustellen, dass der Graben nach wie vor zu tief war. Deswegen soll die Supernote also erst am Mittwoch wieder auf den Tisch kommen. Dann allerdings soll durchverhandelt werden, und zwar bis zum Schluss. Irgendwann zwischen Mittwoch- und Freitagabend wird sie dann doch endlich schlagen, die Stunde der Wahrheit.
Vor allem Vooruit und auch die CD&V hatten am Wochenende mit beiden Füßen auf die Bremse getreten. Beide Parteien gaben zu verstehen, dass Bart De Wever offensichtlich seine Supernote erweitert habe. Plötzlich tauche da auch eine Neuberechnung des Index auf. Und das, so betonte man insbesondere bei Vooruit, das sei doch bislang immer eine rote Linie gewesen. Beobachter warfen daraufhin schon dem Regierungsbildner vor, die Verhandlungen letztlich zu sabotieren.
Da gibt es nur ein Problem: Die Geschichte stimmt nicht. "Die meisten Vorschläge liegen schon seit sieben Monaten auf dem Tisch", sagte De Wever in der VRT. Und das gelte auch für die "kleinen Maßnahmen" in Bezug auf den Index. Das mussten die flämischen Sozialisten dann auch kleinlaut zugeben: dass die Neuberechnung des Index' eben nicht urplötzlich vom Himmel gefallen ist.
"Ja, es kann tatsächlich sein, dass Bart De Wever schon seit Monaten vorschlägt, den Index neu zu berechnen", sagte die Vooruit-Spitzenpolitikerin Melissa Depraetere in der VRT. Sie habe darauf aber von Anfang an immer erwidert, dass der Index für ihre Partei sehr wichtig sei. Dazu muss man wissen, dass Melissa Depraetere zu Beginn der Verhandlungen noch die Vorsitzende von Vooruit war, ihr Kollege Conner Rousseau hat dann später den Stab übernommen.
Wie dem auch sei: Vooruit hat da offensichtlich die Unwahrheit verbreitet. Bart De Wever hat aber - ganz der Sportsmann - sogar Verständnis dafür. "Mal ehrlich: Nichts von dem, was wir hier durchziehen müssen, ist besonders angenehm. 'Mal eben' 20 Milliarden Euro einzusparen, das ist kein Sonntagsspaziergang", sagte De Wever. Und er könne auch nachvollziehen, dass manche Parteien ganz besonders Probleme damit haben, spätestens dann, wenn diese Maßnahmen durch Presselecks an die Öffentlichkeit und damit auch der Parteibasis zu Ohren kommen.
Das dürfte in der Tat die Erklärung für den Winkelzug von Vooruit sein. Die flämischen Sozialisten hatten ihren Mitgliedern wohl noch nicht gebeichtet, dass sie eine kleine Änderung der Index-Berechnung akzeptieren wollen. Als dieses Detail durchgesickerte, kam man in Erklärungsnöte.
"Über alles kann man noch reden", beteuert derweil der Regierungsbildner. Mit einer Einschränkung allerdings: Die allgemeine Ambition, also das Gesamtvolumen darf nicht nach unten korrigiert werden. Wenn die Reformen am Ende zu bescheiden ausfallen, dann müsse man sich die Mühe nicht antun. "Das Wahre ist immer das Ganze, le tout est dans le tout." Heißt: Wer irgendwo was abknapsen will, der muss an anderer Stelle neue Zugeständnisse machen.
Für De Wever darf sich das innere Gleichgewicht seiner Note nicht mehr verschieben. Genau das fordern allerdings immer noch Vooruit und auch CD&V: ein insgesamt - aus ihrer Sicht - ausgewogeneres Paket. De Wever macht derweil deutlich, dass es auch für ihn eine Schmerzgrenze gibt: "Wenn ein zufriedenstellendes Abkommen auf dem Tisch liegt, dann werde ich Premier. Und wenn nicht, dann eben nicht."
Roger Pint