Georges-Louis Bouchez hat es mal wieder geschafft: Er ist auf den Titelseiten der Zeitungen, das ganze Land spricht über ihn. Denn sogar bis nach Flandern sorgt sein jüngster Coup für Schlagzeilen: Drei ehemalige Mitglieder der rechts-extremen Partei Chez Nous sind jetzt Mitglieder bei Bouchez’s MR.
Selbst in seiner eigenen Partei sorgt das für Verstimmung. Und nicht nur bei Politikern aus der zweiten Reihe. Die immer noch äußerst beliebte Ex-Premierministerin Sophie Wilmès war sogar die erste, die ihren Parteivorsitzenden wegen der Aufnahme der drei Ex-Chez-Nous-Politiker öffentlich kritisierte.
Integrieren statt verurteilen
Andere kritische Stimmen ließen dann nicht lange auf sich warten. "Das ist ein sensibles Thema sowohl bei den Parteimitgliedern als auch den Mandatsträgern", kommentiert den Streit Pierre-Yves Jeholet, MR-Wirtschaftsminister in der Wallonie. "Deshalb müssen wir darüber intern unter uns sprechen können. Und das hat vielleicht gefehlt", gibt Jeholet zu bedenken.
Bei Bouchez selbst war auch zwei Tage nach der ersten Kritik kein Verständnis für diese da. Bezogen auf die drei Ex-Chez Nous-Politiker sagte er am Dienstag: "Sie haben ihre Vergangenheit verurteilt. Sie identifizieren sich komplett mit unseren Werten. Ich denke, dass es mehr Sinn macht, Menschen in die demokratische Debatte zurückzuholen, als sie zu verurteilen. Denn ich höre viele Menschen, die definitive Urteile äußern. Ich glaube, dass das uns nicht weiterbringt."
Sarkozys Erfolg kopieren
Beobachter von außerhalb der MR sehen in dem Schritt von Bouchez eine Strategie. Dorian de Meeûs, Chefredakteur der eher konservativ ausgerichteten Zeitung La Libre Belgique, durfte Mittwochvormittag im Radio der VRT den flämischen Hörern seine Version der Dinge erklären.
De Meeûs sagte: "Bouchez handelt so ein bisschen wie Sarkozy in Frankreich in den Jahren 2006 und 2007. Er will die Rechtsextremen aussaugen. Die Logik von Georges-Louis Bouchez ist es, eine so groß wie mögliche, rechts-populäre Partei zu formen."
Die These von Frankreichs Ex-Staatspräsident Nicolas Sarkozy als Vorbild von Bouchez hatte La Libre Belgique am Dienstag schon ausführlich ihren Lesern in einem Artikel erklärt. Demnach hätte Sarkozy damals das Profil seiner konservativen Partei UMP verschärft, um dem rechtsextremen Front National den Wind aus den Segeln zu nehmen. Und das mit Erfolg: Bei den Präsidentschaftswahlen 2007 fuhr der Front National sein schlechtestes Ergebnis seit mehr als 20 Jahren ein. Sarkozy kam in die Stichwahl und wurde neuer Präsident.
Rechtes Profil schärfen
Bouchez war damals 21 Jahre alt und laut La Libre Belgique tief beeindruckt von dem Siegeszug des mittlerweile verurteilten, durchaus umstrittenen Präsidenten "Bling-Bling". Und auch die Analyse von Benjamin Biard geht in die gleiche Richtung wie das, was La Libre Belgique bei Bouchez erkennt. Biard ist Wissenschaftler am Crisp, des Sozio-politischen Recherche- und Informationszentrums in Belgien.
Er sagt: "Seitdem Georges-Louis Bouchez Parteichef ist, beobachtet man, dass er versucht, sich als konservative Kraft zu etablieren und die Partei deutlicher als bisher nach rechts zu ziehen. Das sieht man zum Beispiel bei den Debatten um Werte, um Identität. Das sind Themen, die von seinen Vorgängern an der Spitze der Partei anders behandelt oder auch vernachlässigt worden sind."
Kay Wagner