Rund 30.000 Menschen haben Montag in Brüssel gegen die Rentenreformpläne der Arizona-Parteien protestiert, die Koalitionsverhandlungen auf föderaler Ebene führen. Die Kundgebung verlief friedlich.
Der Aktionstag der Gewerkschaften kann wohl nur als beeindruckender Erfolg bezeichnet werden. Zumindest hinsichtlich der Beteiligung der Betroffenen. Sowohl Gewerkschaften als auch Polizei sprechen übereinstimmend von etwa 30.000 Menschen, die Montag in Brüssel gegen schlechtere Rentenbedingungen demonstriert haben.
Aus dem flämischen Unterrichtswesen wird sogar eine historisch hohe Beteiligung an dem Streik gemeldet beziehungsweise an der Demonstration. Und das, obwohl eigentlich nur eine kleine symbolische Aktion vorgesehen gewesen war. Zu einer echten Demo sollte ursprünglich erst für die nächste monatliche Protestaktion am 13. Februar aufgerufen werden. Aber es kam eben anders: Das Bedürfnis, der Politik ein deutliches Signal zu senden, war offenbar bei vielen überwältigend groß.
Es gehe um 200 bis 900 Euro weniger im Monat, so eine Demonstrantin gegenüber der VRT. Das sei schon ein ordentlicher Happen aus dem Budget. Eine andere Demonstrantin nennt gegenüber der RTBF sogar noch höhere Zahlen. Zwischen 500 und 1.100 Euro drohe man netto pro Monat zu verlieren mit den Plänen der Arizona, so die Frau.
Drei Milliarden Euro Einsparungen geplant
Wobei man an dieser Stelle auch unterstreichen sollte, dass es konkrete Zahlen und Pläne ja noch gar nicht gibt. Einfach mangels neuer Regierung und damit auch Regierungsvereinbarung. Ein Umstand, der Gewerkschaften und Demonstranten den Vorwurf eingebracht hat, "voreilig" auf die Barrikaden zu gehen. Die wollen davon aber nichts hören. Alle Arizona-Parteien hätten bestätigt, dass sie mindestens drei Milliarden Euro bei den Renten einsparen wollten, wiederholte etwa Marie-Hélène Ska von der christlichen Gewerkschaft. Und das werde alle Werktätigen treffen.
Ein besonders häufiges Symbol bei der Demo: die Zitrone. Denn man habe die Nase voll, ausgepresst zu werden, so viele Demonstranten. Und noch etwas hörte man wieder und wieder: den Vorwurf, dass getroffene Vereinbarungen gebrochen werden sollten. Der Deal sei immer gewesen, dass es später höhere Renten und teilweise vorteilhaftere Rentenbedingungen gebe als Ausgleich für sonst eher mäßig gut bezahlte, aber durchaus anstrengende Jobs, so der Tenor.
Unmissverständliche Warnung
Auch das Argument, dass man doch erstmal auf die tatsächliche Regierungsvereinbarung warten solle, zog nicht. Er habe noch nie erlebt, dass noch viel Spielraum für Änderungen sei, wenn sich die Regierung erst einmal geeinigt habe, wetterte ein Mann. In dem Sinne sei es besser, die Politik schon jetzt unmissverständlich zu warnen, dass man das nicht hinnehmen werde.
Eine Botschaft, die auch der Chef der sozialistischen Gewerkschaft, Thierry Bodson, unterstrich. Man höre, dass die Arizona versuche, ein möglichst klares und präzises Regierungsabkommen zu schnüren. Wenn die Beteiligten dem dann erst mal zugestimmt hätten, werde es wieder heißen, dass es nun zu spät sei, um noch etwas zu ändern, so Bodson.
Der FGTB-Chef hatte in diesem Zusammenhang auch noch eine deutliche Warnung an die Arizona-Unterhändler: Wenn das Regierungsabkommen vorliege, werde sich seine Gewerkschaft damit befassen. Und wenn sich dann nichts verändert habe im Vergleich zu dem, was jetzt die Runde mache, dann könne es auch sein, dass ein Generalstreik ausgerufen werde, so Bodson sinngemäß.
Seine Pendants von der christlichen und liberalen Gewerkschaft wollten allerdings nicht ganz so weit gehen. Sie ermahnten die Demonstranten stattdessen unter anderem, sich nicht spalten und damit schwächen zu lassen, etwa mit irreführenden Berichten über zu hohe Renten und Ähnliches.
Arbeitgeber reagieren scharf
Für den flämischen Arbeitgeberverband Voka war der Aktionstag der Gewerkschaften, Zitat, "voreilig, unverantwortlich und leichtsinnig" und schade der Wirtschaft. Der belgische Unternehmerverband FEB seinerseits pochte auf die Notwendigkeit einer Reform des Rentensystems und bezeichnete die Forderungen der Gewerkschaften als unbegreiflich.
Immer nur für den Erhalt des Status quo zu plädieren und für eine Verschiebung eines Eingreifens, das führe nur dazu, dass die notwendigen Maßnahmen immer drastischer würden, prangerte FEB-Chef Pieter Timmermans gegenüber der VRT an.
Auch die Mittelstandvereinigung Unizo betonte die Wichtigkeit von Reformen. Das System der Sozialen Sicherheit sei wichtig für alle Menschen und das gelte besonders für die Renten, so Unizo-Geschäftsführer Danny Van Assche. Aber um das System zu retten, müsse nun unbedingt eingegriffen werden.
belga/mh