"Haarsträubend", "unannehmbar", "inakzeptabel" - mit hörbarer Empörung reagierten einige Abgeordnete auf die jüngsten Silvesterkrawalle, bei denen ein harter Kern von Unruhestiftern erneut Bilder produziert hatte, die zuweilen an ein Kriegsgebiet erinnern können. Am Rednerpult: Parlamentarier aus der Mehrheit wie auch aus der Opposition, wobei hier die Grenzen ohnehin inzwischen verschwimmen. Sagen wir's anders: Drei der fünf Arizona-Parteien waren vertreten.
"Molotowcocktails und Feuerwerkskörper, die auf die Polizei- und Rettungsdienste geworfen werden - solche Krawalle dürfen nicht länger relativiert, solche Bilder nicht zur Gewohnheit werden", mahnte etwa die N-VA-Abgeordnete Maaike De Vreese.
"Es gab Momente, da mussten die Rettungsdienste gar einen Einsatz unterbrechen, um sich in Sicherheit zu bringen und auf Polizeischutz zu warten", beklagte auch die MR-Parlamentarierin Catherine Delcourt.
"Und wo waren die Erziehungsberechtigten in dem Ganzen?", fragte sich der CD&V-Abgeordnete Franky Demon. "12- bis 14-Jährige stehen unter der elterlichen Aufsicht. Punkt!"
Premierminister Alexander De Croo sprach den Rettungsdiensten und der Polizei zunächst seinen Dank aus. Und, ja, er sei natürlich auch empört. "Wir dürfen nie akzeptieren, dass Rettungskräfte oder auch die Polizei auf eine solche Art angegriffen werden." Die Polizei habe natürlich auch entsprechend durchgegriffen, betonte De Croo. Nur dürfe man nicht vergessen, dass Repression nicht ein Allheilmittel ist.
Genau darauf legte auch die amtierende Innenministerin Annelies Verlinden den Nachdruck. Bei aller Entschlossenheit, wenn nötig hart durchzugreifen: Man müsse solche Ereignisse auch zum Anlass nehmen, um einmal die tieferen Ursachen dieser Problematik zu hinterfragen.
Nuancierte Töne, die aber die meisten der Parlamentarier so nicht hören wollten. Insgesamt vorhersehbare Reaktionen; böse Zungen würden sagen, dass der eine oder die andere wohl einfach nur ein bisschen auf der Empörungswelle surfen wollten.
Gleich im Anschluss konnte man Ähnliches aber auch auf der anderen Seite beobachten: Drei von vier wahrscheinlich künftigen Oppositionsparteien echauffierten sich da über die Einmischungsversuche von Elon Musk, vor allem zuletzt zu Gunsten der rechtsextremen AfD in Deutschland. "Es steht einem Milliardär oder auch einem Privatunternehmen nicht zu, über die Zukunft unserer Demokratien zu entscheiden", giftete etwa die Grünen-Politikerin Rajae Maouane.
Dieser Musk setze sich zudem demonstrativ über alle europäischen Gesetzgebungen hinweg, beklagte die Ecolo-Abgeordnete. Der PS-Kollege Christophe Lacroix sieht das genauso: Die Plattform X, deren Eigentümer Elon Musk ist, könne man nur noch als Propaganda-Medium bezeichnen. "Mit Meinungsfreiheit hat das nichts mehr zu tun."
"Hier geht es auch nicht mehr um einen verrückten Milliardär, sondern um einen Mann, der bald die US-Regierung vertritt", betont Ismaël Nuino von Les Engagés.
Was soll ein belgischer Premierminister darauf sagen? Zumal, wenn der zu allem Überfluss nur noch geschäftsführend im Amt ist. Nun, auch hier konnte Alexander De Croo erstmal nur die Empörung teilen. "So etwas geht nicht!" In der EU gebe es dafür ein Gesetz: den digital Services Act. Und er werde die EU-Kommission ausdrücklich dazu auffordern, im Zusammenhang mit Musk und seiner Plattform diese Gesetzgebung auch anzuwenden.
Roger Pint