Zumindest was Flandern betrifft, ist es zweifelsohne einer der aufsehenerregendsten Prozesse der jüngeren Geschichte gewesen. Der ehemalige VRT-Moderator Sven Pichal musste sich wegen des Besitzes und der Verbreitung von kinderpornografischen Bildern vor Gericht verantworten.
Am Montag ist vor dem Strafgericht Antwerpen das Urteil ergangen. Und der Tag begann für Pichal mit einem Eklat. Als der erneut komplett vermummte Pichal mit seinem Anwalt die Stufen zum Antwerpener Strafgericht hinaufstieg, bespritzte sie ein Mann mit einer braun-gelben, extrem übelriechenden Flüssigkeit, möglicherweise Tier-Urin oder Ähnliches.
Er habe ja schon einiges mitgemacht, prangerte Anwalt Walter Damen an, von Bedrohungen über Verfolgungsjagden bis hin zur Notwendigkeit von Polizeischutz. Aber mit Urin sei er noch nie bespritzt worden, so Damen in der VRT. Pichal selbst äußerte sich nicht.
Bisher ist weder bekannt, wer der Täter ist, noch was ihn angetrieben haben könnte. Aber seine Attacke könnte Folgen haben. Man habe die Polizei bereits angewiesen, ihn zu identifizieren und festzunehmen, bestätigte nämlich die Antwerpener Staatsanwaltschaft. Solche Aktionen seien nicht nur absolut widerlich, sondern auch nicht hinnehmbar.
Aber was auch immer letztlich das Ziel des Angreifers war, er schaffte es nicht, die Urteilsverkündung an sich zu stören, sie lief nach Plan ab. Drei Jahre Gefängnis auf Bewährung, eine Geldbuße von 8.000 Euro, die Hälfte davon ebenfalls auf Bewährung, sowie eine ganze Reihe strenger Auflagen - das ist der Preis, den der ehemalige Moderator zahlen muss.
Zu den Auflagen gehöre der Nachweis eines festen Wohnsitzes, zählte Presserichter Luc De Cleir auf, ein Drogen- und Alkoholverbot, das durch monatliche Tests überwacht werde. Außerdem dürfe sich Pichal nicht Minderjährigen nähern, wenn keine anderen Erwachsenen in der Nähe seien.
Zusammengefasst bedeute das, dass das Gericht der Behandlung von Pichals Sucht- und anderen Problemen die höchste Priorität einräume. Das sei sowohl im Interesse des Angeklagten selbst als auch der Gesellschaft. Denn das Problem sei einfach, dass im Gefängnis keine Behandlung stattfinden könne.
Dieser Argumentation folgt auch die Kinderschutzorganisation "Child Focus", die stellvertretend als Nebenklägerin für alle nicht identifizierten Opfer des sexuellen Missbrauchs aufgetreten war. Das sei wirklich ein großes Problem, so Nel Broothaerts von "Child Focus". Heute müsse meist eine Entweder-Oder-Entscheidung getroffen werden zwischen dem Verbüßen einer Gefängnisstrafe ohne Therapie oder eben Therapie ohne Verbüßen einer Gefängnisstrafe. Das sei sicher nicht ideal und für viele Menschen auch nicht so leicht nachvollziehbar, so Broothaerts.
Der Anwalt von "Child Focus" sah das Urteil auf Bewährung positiv. Das Wichtigste sei, neue Taten zu verhindern, das habe auch das Gericht unterstrichen, fasste Kris Luyckx zusammen. Und das stelle man am besten mit einer gut durchdachten Therapie sicher. Außerdem blieben ja auch die Interessen der Gesellschaft gewahrt. Wenn die Therapie bei Sven Pichal nicht anschlage, dann könne er immer noch ins Gefängnis wandern.
Auch Pichals Anwalt ist nach eigener Aussage zufrieden mit dem Urteil. Er finde das Urteil sehr ausgewogen, so Damen. Einerseits habe der Richter die Schwere der Taten betont - und die habe sein Mandant ja auch eingeräumt. Andererseits erkenne das Gericht an, dass Pichal sich bereits sehr vielen Maßnahmen unterworfen habe. Deswegen sei auch entschieden worden, ihn nicht zurück ins Gefängnis zu schicken.
Allerdings wolle er in diesem Zusammenhang bei Pichal auf gar keinen Fall den Begriff "Erleichterung" hören. Sein Mandant sei noch immer bestürzt über das, was er angerichtet habe und frage sich, wie es so weit habe kommen können.
In jedem Fall hat Damen bereits angekündigt, das Urteil nicht anfechten zu wollen. Und da auch die anderen Parteien offenbar damit leben können, könnte es sich hierbei tatsächlich um den Schlussstrich unter dem Pädophilie-Skandal handeln.
Boris Schmidt