Mit jedem Tag, der vergeht, wird die Brüsseler Hängepartie wirklich zum Problem. Belgien gehört innerhalb der EU zu den Staaten mit dem größten Haushaltsloch. Nicht umsonst sitzt das Land auf der Defizitstrafbank. In einem solchen Fall erwartet die EU-Kommission, dass die betreffende Regierung einen verbindlichen Fahrplan vorlegt, der aufzeigt, wie man das Defizit abbauen will. Nur hat Belgien bekanntermaßen bislang keine handlungsfähige Regierung.
Immerhin hatte man eine Ausnahme erwirken können: Die Kommission hat Belgien bis Ende des Jahres Zeit gegeben, um diesen Haushaltsfahrplan vorzulegen. Die Uhr tickt also, allerdings mit jedem Tag lauter. Das wurde am Dienstag bei einer Pressekonferenz der EU-Kommission nochmal überdeutlich. Die zuständigen Kommissare stellten dabei die Ergebnisse dessen vor, was man in EU-Sprech das "Europäische Semester" nennt: In regelmäßigen Abständen nimmt die EU-Kommission die Haushaltslage und die allgemeine wirtschaftliche Situation der einzelnen Mitgliedstaaten unter die Lupe. Das ist so eine Art Frühwarnsystem. Jedes Land bekommt dabei also sein Zeugnis, mit gegebenenfalls einer Reihe von Empfehlungen.
Nur gehört Belgien eben zu den Staaten, die noch nicht begutachtet werden konnten. Doch weil ohnehin schon ein Defizitverfahren gegen Belgien läuft, ist die Geduld der Kommission endlich. Sollte Belgien die erwarteten Pläne und Selbstverpflichtungen am 31. Dezember immer noch nicht vorgelegt haben, dann werde man vorschlagen, dass ab sofort der Haushaltsfahrplan gilt, den die EU-Kommission im Juni empfohlen hat, sagte der zuständige EU-Kommissar Valdis Dombrovskis. Das wäre - in der Praxis - ein deutlich härterer Sparkurs, als man sich das wünschen würde. In jedem Fall klingt das doch arg nach einer Form von Vormundschaft. Die nächste Regierung hätte dann nur noch bedingt Einfluss auf den Weg, den man beschreiten will, um den Haushalt wieder in die EU-Spur zu bekommen.
Diese Aussicht sorgt denn auch dafür, dass die Arizona-Partner inzwischen ganz klar unter Erfolgsdruck stehen. Ein Scheitern ist eigentlich keine Option mehr.
Die Signale, die da zuletzt aus der Rue de la Loi gekommen sind, dürften allerdings so gar nicht im Sinne der EU-Kommission gewesen sein. Die geschäftsführende Regierung um den scheidenden Premier Alexander De Croo hat ja jetzt einen Nothaushalt auf den Weg gebracht, der vorläufig für die drei ersten Monate des kommenden Jahres gelten soll. Grundlage ist dabei das Budget des laufenden Jahres: Das wird durch zwölf geteilt, das Ergebnis dann indexiert, und daraus ergibt sich die monatliche Ausgabenobergrenze.
Das sei nötig, damit der Staat weiter funktionieren kann, also damit zum Beispiel Polizeifahrzeuge weiter betankt werden können und auch noch Druckerpapier zur Verfügung steht, sagte die scheidende Haushaltsstaatssekretärin Alexia Bertrand in der VRT.
Nur: Ein Haushaltsfahrplan ist das natürlich nicht. Es ist eben nicht mehr und nicht weniger als das Budget von diesem Jahr. Also ohne auch nur irgendeine Sparmaßnahme. Eine geschäftsführende Regierung kann hier keine Korrekturen vornehmen, sie darf keine Entscheidungen treffen. Dazu befugt ist nur eine neue, dann vollwertige Regierung. Entsprechend ruhen nun eben alle Hoffnungen auf den fünf Arizona-Partnern. Der Nothaushalt ist - bis auf Weiteres - keine Vorwegnahme, sondern lediglich eine Vorsichtsmaßnahme - bis zum Beweis des Gegenteils.
Die nächsten Tage können da Klarheit bringen. Dem Vernehmen nach sollen die wirklich heiklen Themen ab Mittwoch auf dem Arizona-Verhandlungstisch liegen. Dann ist "Money-Time", schrieb schon die Zeitung Het Belang van Limburg. Konkret: Dann wird es eben um die Frage gehen, wie die künftige Regierung die Finanzen wieder ins Lot bekommen will. Und genau daran sind die Verhandlungen ja schon zweimal gescheitert, genau gesagt an der Lastenverteilung mit Blick auf die nötige Haushaltssanierung. Hier standen sich bislang vor allem die flämischen Sozialisten Vooruit und die frankophonen Liberalen MR gegenüber. Ein neuer Clash wäre wohl das definitive Aus für die Arizona-Koalition.
Daran will im Moment eigentlich niemand denken. Allein die reale Aussicht, dass Belgien seine Haushaltspolitik de facto nicht mehr selbst in der Hand hat, sollte da doch eigentlich reichen. Wobei die Erfahrung lehrt, dass man hierzulande -wenn's um die Suche nach einer neuen Föderalregierung geht - niemals nie sagen sollte, man denke nur an die 541-Tage-Krise. Diesmal kann's allerdings richtig teuer werden …
Roger Pint