Zur Mercosur-Wirtschaftsorganisation gehören unter anderem Brasilien und Argentinien. Allein das macht klar, warum sich viele europäische Bauern Sorgen machen: Beides sind wahre Agrargiganten – und das nährt hierzulande natürlich Ängste vor unfairem Wettbewerb. Fleisch werde aus Südamerika nach Europa strömen und den ohnehin schon schwierigen Markt noch weiter unter Druck setzen, befürchtet ein Viehzüchter im Interview mit der RTBF. Wenn das passiere, dann werde man seine Rinder nicht mehr zu einem fairen Preis verkaufen können – und das gefährde nicht nur die Ernährungssouveränität Europas, sondern auch die Wirtschaftlichkeit der örtlichen landwirtschaftlichen Betriebe.
Europa brauche diese landwirtschaftlichen Importe aus Südamerika nicht, die es im Austausch gegen den Export von Industriegütern zulassen wolle, unterstreicht auch Hugues Falys, Sprecher des wallonischen Landwirtschaftsverbands Fugea. In Belgien würden bereits ausgezeichnete landwirtschaftliche Produkte hergestellt – und das wohlgemerkt unter strengen Auflagen.
Gerade letzterer Punkt könne bei den Importen aus Südamerika nicht garantiert werden. Bei der Viehzucht in Südamerika würden beispielsweise Wachstumshormone eingesetzt, prangert Falys an. Und Brasilien habe auch bereits zugegeben, nicht garantieren zu können, dass nach Europa exportiertes Fleisch frei sein werde von diesen Hormonen.
Diese Probleme beträfen auch nicht nur Fleisch, sondern auch pflanzliche Produkte. Mais und Zucker etwa, bei deren Anbau in Europa verbotene Pestizide zum Einsatz kämen. Es sei also schon wie eine Ohrfeige für die Bürger Europas, wenn die EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen den Menschen eine gesunde und von anderen Staaten unabhängige Ernährung verspreche.
Die Fugea hat aber auch noch ein anderes Argument im Gepäck: Das Problem der Entwaldung in Südamerika, denn bekanntermaßen werden für die riesigen Rinderherden noch immer enorme Waldflächen gerodet, mit allen Folgen, die das mit sich bringt. Die Unterzeichnung des Mercosur-Abkommens werde zur Folge haben, dass zwischen 600.000 und 1.350.000 Hektar Wald zusätzlich gerodet würden in Südamerika, zitiert Falys aus einer französischen Studie. Das sei wohl kaum mit den im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Zielen vereinbar.
Die wallonischen Bauern und ihre Verbündeten sind aber auch aus noch einem Grund sauer auf die EU: Anfangs sei immer behauptet worden, dass sich das Abkommen nicht finanziell auf die Landwirte auswirken werde. Mittlerweile sei aber sogar schon die Rede von Entschädigungen, da bekomme man schon das Gefühl, dass sich die Kommission lustig mache über die Landwirte.
Für die Fugea und andere europäische Landwirtschaftsverbände ist deshalb klar, dass das Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten in seiner geplanten Form auf gar keinen Fall unterzeichnet werden darf. Es könne nicht sein, dass europäische landwirtschaftliche Produkte als Verhandlungsmasse missbraucht würden, wettert Falys. Das Abkommen sei schließlich nicht ohne Grund schon seit bald 30 Jahren umstritten. Die wallonischen Bauern forderten Belgien deshalb auf, gemeinsam mit anderen Ländern eine sogenannte Sperrminorität zu bilden gegen das Abkommen.
Boris Schmidt