Wirklich gut steht es nicht um die deutsche Sprache in den belgischen Landesteilen, in denen Französisch und Niederländisch gesprochen wird. Zwar ist auch dort bekannt, dass Deutsch eine offizielle Landessprache ist. Doch die Konkurrenz anderer Fremdsprachen wächst, die Zahl der Deutsch lernenden Schüler nimmt nicht unbedingt zu. Und warum soll man im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz überhaupt noch Sprachen lernen?
Der deutsche Botschafter in Belgien, Martin Kotthaus, erinnerte an diese Lage zu Beginn der dritten "Woche für Deutsch" - und gab sich selbst eine Antwort auf die eigene Frage: Fremdsprachen sind immer ein Plus und können im Berufsleben oft den Unterschied machen, sagte er. Das gelte gerade auch für die deutsche Sprache.
Die "Woche für Deutsch" macht sich zur Aufgabe, das Interesse an dieser Sprache zu wecken. Mit Kinovorstellungen, Theaterworkshops, Lesungen, Stadtbesichtigungen, Stadtrallyes und einigem mehr wollen alle Veranstaltungen vor allem eins erreichen: Spaß vermitteln, Lust und Neugier auf die deutsche Sprache wecken und zeigen, dass Deutsch mehr sein kann als das Pauken von Deklinationen und Fluchen über den Genitiv.
Deutsches Wort des Jahres
Eine Initiative außerhalb der "Woche für Deutsch" ist es, Schüler in Belgien ihr deutsches Wort des Jahres wählen zu lassen. Das Siegerwort wurde am Montag von Botschafter Kotthaus verkündet. "Die nominierten Worte waren: Schokoladenseite, Fernweh - kenne ich als Diplomat sehr gut - , Zweisamkeit und natürlich der Klassiker Gemütlichkeit. Apfelschorle, Kuddelmuddel, Kopfkino, Wanderlust, Schnapsidee und mucksmäuschenstill." Das Rennen machte das Wort Kuddelmuddel. Quasi eine Steilvorlage für Botschafter Kotthaus, Bas Böttcher zu einer ersten Einlage zu bitten.
Böttcher ist ein deutscher Poetry-Slammer und sollte nach den Reden ein kurzes Programm präsentieren. Kotthaus fragte den Künstler, was ihm spontan zum Wort Kuddelmuddel einfallen würde. Böttcher ließ sich nicht lange bitten. "Der Klang von Kuddelmuddel - das ist ja ein Wort, das sich auf sich selbst reimt. Was gibt’s noch für Wörter, die sich auf sich selbst reimen? Holterdiepolter, doppeltgemoppelt…: Ein alter Verwalter kam, holterdiepolter, in doppeltgemoppelt. Mit Kladderadatsch taten wir das Krimskrams-Kuddelmuddel. Tralala! Klar, dass jeder ruckzuck plemplem und ballaballa war. Die Götter riefen: Larifari Mischmasch! Schickimicki schnippschnapp! Techtelmechtel ticktack! Honkie-Tonkie Klippklapp! Da sag ich: Ich spreche meine Sprache. Sprudelsprickelnden Sprechgesang. Wirbelworte bei Spektakeln. Aus mir spricht der Sprecher."
Die gute Laune, die Böttcher damit und seinem anschließenden Programm beim Publikum verbreitete, war ein Vorgeschmack auf das, was die "Woche für Deutsch" mit allen Teilnehmern vorhat: Unterhaltung bieten über und mit der deutschen Sprache.
Böttcher sollte tags darauf noch Workshops geben für Brüsseler Schüler, die drei bis vier Jahre Deutsch lernen. Poetry Slam - nicht zu schwierig für diese Schüler? Böttcher winkte ab. "Was man zum Beispiel sehr gut machen kann ist, einfach immer dasselbe Wort an den Anfang eines Satzes zu stellen. Damit hat man dann eine richtig coole Orientierung. Dann kann ich so Sätze machen wie "Ich. Ich kann. Ich kann doch nicht. Ich kann doch nicht immer nett sein. Ich kann doch nicht immer das Kleingeld passend haben. Ich kann doch nicht immer sagen, dass mir deine neue Frisur gefällt." Das geht halt immer so los mit ganz einfachen Formen. Solche Texte lassen sich sehr leicht schreiben und sind oft sehr überraschend und witzig und überzeugend."
120 angemeldete Klassen
Einen neuen Teilnehmerrekord mit gut 120 angemeldeten Klassen kann das Online-Schülerquiz verbuchen. Dabei treten zunächst zwei Deutschklassen über die Online-Plattform Kahoot virtuell gegeneinander an, müssen Fragen zur deutschen Sprache und Kultur beantworten und können sich nach und nach für ein Finale qualifizieren. Nach Ansicht von Torsten Leuschner, Vorsitzender des belgischen Germanisten- und Deutschlehrerverbands, ist dies eine ganz hervorragende Fördermaßnahme für die deutsche Sprache in Belgien. "Das ist förderlich, weil es den Schülern ein positives, ein Erfolgserlebnis vermittelt, selbst wenn sie nicht unbedingt gewonnen haben. Denn sie haben sich in der Gruppe mit Deutsch beschäftigt. Sie haben so einen Wettbewerbsgeist gespürt. Sie kommen nach Hause und erzählen womöglich den Eltern, wie toll sie Deutsch finden. Damit ist so mancher Damm gebrochen, wenn es dann daran geht, berufsrelevante Entscheidungen später zu treffen. Die Lehrer sprechen immer wieder begeistert von der Motivation, die sie im Klassenzimmer schon einen Tag später spüren."
Kay Wagner