Keine Wahl ohne die kleinen und großen Geschichten - Geschichten über unbändige Freude und herbe Enttäuschung, Geschichten von überarroganten Gewinnern und besonders schlechten Verlierern, aber auch Geschichten über kleine, manchmal auch größere mutmaßliche Unregelmäßigkeiten.
In Ninove ist es so eine Mischung aus alledem. Im Mittelpunkt: Die Liste "Forza Ninove" um den Vlaams-Belang-Politiker Guy D'haeseleer. "Forza Ninove" war schon bei der letzten Kommunalwahl 2018 knapp an der absoluten Mehrheit vorbeigeschrammt. Sechs Jahre lang musste man sich gedulden, jetzt hat es aber geklappt: Absolute Mehrheit! Guy D'haeseleer wird wohl zum ersten Vlaams-Belang-Bürgermeister in Flandern. Unbändige Freude bei den Anhängern der rechtsextremen Liste und auch in der Parteizentrale des Vlaams Belang, der damit ein wenig davon ablenken kann, dass er sein Wahlziel am vergangenen Sonntag doch gehörig verfehlt hat. Am 9. Juni war der Belang noch in 143 flämischen Gemeinden stärkste Kraft geworden. Ummünzen konnte man das aber bei diesen Kommunalwahlen offensichtlich nicht. Gerade einmal in zwei Gemeinden holten die Rechtsextremisten die meisten Stimmen: in Denderleeuw und dann eben auch in Ninove.
Außergewöhnlich große Zahl an Wahlvollmachten
Doch wird dieser für den Vlaams Belang doch so wichtige Sieg auch noch überschattet von Meldungen über mutmaßliche Unregelmäßigkeiten. Schon am Wahlsonntag wurde plötzlich bekannt, dass die zuständige Staatsanwaltschaft Hinweise auf mögliche Wahlfälschung untersuche. Nach Presseberichten habe sich der Präsident eines Wahlbüros über die außergewöhnlich große Zahl an Wahlvollmachten gewundert. Wie die Zeitungen Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad berichten, wurden in der Folge Dutzende dieser Vollmachten beschlagnahmt. Ermittelt wird wegen des Verdachts, dass mindestens eine Liste sich systematisch um diese Bevollmächtigungen bemüht hat, die Menschen quasi aufgerufen hat, ihnen eine Vollmacht zu ihren Gunsten auszustellen. Ein aktives und systematisches Ersuchen um Wahlvollmachten ist aber seit Kurzem ungesetzlich, sogar strafbar. Alles weist hier auf die Liste "Forza Ninove", wobei Guy D'haeseleer behauptet, nicht er, sondern die Konkurrenz habe auf diese Mittel zurückgegriffen.
Inzwischen stehen aber anscheinend auch Betrugsvorwürfe im Raum. So wird von einem Fall berichtet, bei dem ein und dasselbe ärztliche Attest als Begründung gedient habe für vier Wahlvollmachten. Das wäre Urkundenfälschung, und damit sind wir endgültig im Bereich des Strafrechtes angekommen. Aus welcher Ecke diese Dokumente kamen, ist unklar, nicht zuletzt, weil die Wahl nunmal geheim ist. Aber, theoretisch besteht die Möglichkeit, dass die Wahl am Ende sogar wiederholt werden muss. Man ahnt schon, dass der Vlaams Belang dann gleich wieder in seine Lieblingsrolle schlüpfen wird, die des "armen Opfers". Hier kann man nur sagen: Fortsetzung folgt.
Auch in drei weiteren flämischen Gemeinden laufen Ermittlungen
Neben Ninove wurden auch in Turnhout sowie im westflämischen Veurne Untersuchungen wegen möglicher Wahlfälschung eingeleitet. In Veurne beschuldigt die Opposition den amtierenden Bürgermeister Peter Roose, sich kurz vor der Kommunalwahl per Post an Wähler gewendet zu haben, um Wahlvollmachten zu erhalten. Roose bestreitet den Vorwurf.
Wie die VRT meldet, hat im limburgischen Tongeren ein Bürger bereits am 7. Oktober Anzeige wegen angeblichen Betrugs mit Wahlvollmachten erstattet. Auch hier habe die zuständige Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen.
Rochefort: @venir citoyen landet auf der Oppositionsbank trotz Wahlsieg
belga/vrt/rop/moko