Es war ein Abend, der im Zeichen der Trauer stand. Im Vorraum der großen Synagoge hatte die jüdische Gemeinde Tafeln mit Fotos der Menschen aufgestellt, die am 7. Oktober vor einem Jahr von den Mitgliedern der Hamas ermordet worden waren. Pro Tafel 20 Fotos, und darunter stand "ermordet am 7. Oktober".
Vor den Tafeln standen Kerzen, für jedes Opfer brannte eine. Die Trauerstimmung, die schon beim Zugang zum Hauptraum der Synagoge verbreitet wurde, setzte sich im Inneren fort. Getragene Stimmung, in Moll-Tönen gehaltene Geigenmusik, der Vater einers der entführten Geiseln, der die Gäste mit den Worten empfing "Ich kann nicht guten Abend sagen, aber ich kann sagen: Es ist Abend. Ein schlechter Abend für mich". Er zeigte auf ein Plakat , das eine Frau neben ihm in den Händen hielt. Darauf war ein junger Mann zu sehen, in rotem T-Shirt, lächelnd, mit Brille und einem dezenten Bart. Der Name Tamir Nimrodi war über dem Foto geschrieben und in englischer Sprache links unten die Aufschrift "Holt ihn zurück nach Hause". "Das ist mein Sohn, Tamir", sagte Vater Alon Nimrodi am Montagabend in Brüssel. "Mein ältester Sohn. Er war erst 18 Jahre alt, als er verschleppt worden ist an diesem Morgen des 7. Oktobers. Wir haben nichts mehr von Tamir gehört, seit diesem Tag."
Schon Stunden zuvor hatte Alon Nimrodi eine Pressekonferenz in Brüssel gegeben. Kurz nach dem 7. Oktober hatte er seinen Beruf als Immobilienhändler aufgegeben, um sich für die Befreiung seines Sohnes und der anderen Geiseln einzusetzen. Belgien und die EU-Staaten hätten mehr dafür tun können, die Geiseln zu befreien, hatte Nimrodi am Montagnachmittag gesagt. Auch die belgische Unterstützung für Israel im aktuellen Kampf gegen Hamas, Hisbollah und den Verbündeten Iran könnte größer sein, hatte Nimrodi hinzugefügt.
Schlafendes Terror-Nest in Belgien
Am Abend in der Synagoge sagte Nimrodi dann folgende Worte, direkt gerichtet an Premierminister Alexander De Croo, der als Gast der Gedenkfeier beiwohnte. "Sie wissen, Herr De Croo, hier in Belgien befindet sich ein Terror-Nest. Ein schlafendes Terror-Nest. Das nur auf einen Anruf wartet. Auf einen kurzen Anruf mit dem Befehlt: Angriff jetzt! Das Gleiche, was bei uns am 7. Oktober geschehen ist. Seien Sie nicht der nächste!" De Croo reagierte in der Synagoge nicht öffentlich auf diese Warnung und die weiteren Wortmeldungen des Abends waren dann auch weniger alarmistisch.
Daria Goldstein von der Leitung der Großen Synagoge ordnete die Ereignisse von vor einem Jahr ein. "Es gibt eine Zeit vor und eine Zeit nach dem 7. Oktober. Unsere Leben und die Leben unserer Kinder haben sich für immer geändert."
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hielt Politisches aus ihrer Rede heraus. Vielmehr formulierte sie Worte, mit denen sie sich an alle Menschen richtete, die unter dem aktuellen Konflikt in Nahost leiden. "Ich wünsche mir, dass die Gewalt endlich aufhört, dass die Geiseln endlich nach Hause zurückkehren und dass es endlich Frieden und Sicherheit für die Menschen in Israel, Gaza und Libanon gibt." Wünsche, die die Anwesenden in der Großen Synagoge mit Applaus würdigten.
Kay Wagner