Rund 550.000 Menschen – oder anders gesagt etwa fünf Prozent der Bevölkerung – haben sich im vergangenen Jahr in Belgien mit Grippe angesteckt. Das klingt zwar wie eine Menge, werde sich viele jetzt vielleicht denken, aber letztlich ist so eine Grippe doch eine Lappalie, die man eben über sich ergehen lassen muss. Aber das ist eine Fehleinschätzung, wie unter anderem die Ärztin Aurore Girard betont. Sie ist die Vize-Vorsitzende der Hausärztevereinigung SSMG. Eine Grippe sei keinesfalls eine "harmlose" Krankheit, so Girard gegenüber der RTBF.
Und das hebt auch der bekannte Virologe Marc Van Ranst gegenüber der VRT hervor. Im besten Fall sei so eine Grippe zwar nach einer Woche überstanden. Aber bei ernsteren Verläufen könne das viel länger dauern. Und bei älteren Menschen bestehe auch die Gefahr dauerhafter Folgen für die Gesundheit und damit für die Lebensqualität.
Deswegen sollen sich vor allem die üblichen Risikogruppen vorsorglich gegen Grippe impfen lassen. Heißt also: Menschen über 65 Jahre, Menschen mit Vorerkrankungen, schwangere Frauen und natürlich auch Personen, die im Gesundheits- und Pflegesektor arbeiten.
Jede Vorerkrankung könne durch mit Grippe einhergehende Entzündungen destabilisiert werden, warnt auch Girard. Gerade in Belgien ist bei Grippe-Impfungen auch noch viel Luft nach oben. Im vergangenen Jahr etwa hat sich nur knapp die Hälfte der Über-65-Jährigen im Land gegen Grippe impfen lassen. Bei den Menschen mit Vorerkrankungen waren es sogar nur etwa 43 Prozent. Und am übelsten sieht es bei schwangeren Frauen aus. Hier hat der Grippe-Impfgrad 2023 noch nicht mal 15 Prozent betragen. Zum Vergleich: Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt einen Impfgrad von 75 Prozent.
Und dafür gibt es auch gute Gründe: Laut Schätzungen von Experten kommt es in etwa in jedem tausendsten Fall von Grippe zu Komplikationen. Diese Komplikationen können im schlimmsten Fall sogar den Tod des Patienten zur Folge haben. So ein Schicksal erleiden in Belgien pro Jahr zwischen 500 und 1.000 Personen.
Am häufigsten trifft es dabei alte Menschen: Auf sie entfallen rund 90 Prozent der Todesfälle infolge einer Grippeinfektion. Deswegen gibt es für sie auch speziell zugeschnittene Impfstoffe: Das Immunsystem alter Menschen funktioniere schlechter, erinnert Aurore Girard. Deshalb bekämen sie eine höhere Impfdosis, um ihr Immunsystem besonders zu boosten.
Virologe Van Ranst weist außerdem auch noch darauf hin, dass die diesjährige Grippesaison besonders heftig beginnen könnte. Dabei stützt er sich auf Daten aus Australien, wo die Grippesaison bereits viel früher beginnt und endet als auf der Nordhalbkugel und als Indikator für unsere Breiten herangezogen wird. Der Beginn der dortigen Grippewelle sei einer der heftigsten seit 2018 gewesen, so Van Ranst.
Der Blick nach Australien ist aber noch aus einem anderen Grund interessant: Die dort verwendeten Impfstoffe seien in ihrer Zusammensetzung vergleichbar mit denen bei uns, so Van Ranst. Und sie hätten dort unter Beweis gestellt, dass sie wirksam gegen die aktuell zirkulierenden Virenstämme schützten.
Impfungen sind bei den Hausärzten möglich – und auch bei bestimmten Apotheken. Zudem ist es auch möglich, sich gegen Grippe und Covid gleichzeitig impfen zu lassen. Auf der Internetseite von Ostbelgien findet man die Liste der Apotheken in Ostbelgien, in denen man sich gegen Grippe beziehungsweise Covid impfen lassen kann.
Boris Schmidt