Da ist sie nun also auch endlich offiziell, die berühmte "Raketeneis"-Koalition. Wobei eine Geschmacksrichtung eindeutig dominiert: das Gelb der N-VA. Die flämischen Nationalisten stellen mit Matthias Diependaele nicht nur den zehnten Ministerpräsidenten Flanderns, sondern auch noch vier Minister. Die beiden anderen Regierungsparteien Vooruit und CD&V haben jeweils zwei Ministerposten.
Aber bevor die Mitglieder der neuen Regionalregierung im flämischen Parlament in Brüssel den Eid ablegen konnten, regnete es am Montag erstmal Häme und beißenden Spott aus den Reihen der Opposition. Das Ziel: Conner Rousseau, Vorsitzender der flämischen Sozialisten von Vooruit. Denn der musste vor den Parlamentariern eine doch recht ungewöhnliche Personalie verteidigen. Eigentlich sollte am Montag nämlich jemand von Vooruit den Vorsitz des flämischen Parlaments übernehmen – das hatte Vooruit bei den zähen Verhandlungen neben den zwei Ministerposten mit herausgeschlagen. Aber offenbar hat Conner Rousseau noch keine geeignete Kandidatin oder keinen geeigneten Kandidaten dafür.
Er nehme sich lieber Zeit für diese Entscheidung, schließlich gehe es um das Amt des Wächters der flämischen Demokratie, so Rousseau der VRT gegenüber. Statt jemandem von Vooruit solle zunächst lieber die bisherige Vorsitzende des Parlaments weitermachen, Liesbeth Homans von der N-VA. Sie habe hervorragende Arbeit geleistet und dadurch könne gewährleistet werden, dass Parlament und Regierung möglichst schnell an die Arbeit gehen könnten, so Rousseau sinngemäß, deswegen habe er sie am Wochenende auch bereits in der Angelegenheit kontaktiert.
In dem Sinne musste Rousseau am Montag im Parlament also zwar die Giftpfeile der Opposition ertragen, die unter anderem über eine Riesen-Blamage und einen Kuhhandel wetterte. Aber wenn wir beim Bild der Kuh bleiben wollen, dann ist die dank Liesbeth Homans zumindest erst mal vom Eis. Sie akzeptiere das Angebot Rousseaus, so Homans. Und sie bleibe mit vollen Befugnissen im Amt, bis Vooruit jemanden für ihre Nachfolge gefunden habe, unterstrich die Parlamentsvorsitzende. Es könne also keine Rede sein von einer Interimsvorsitzenden oder Ähnlichem. Und bevor jemand auf falsche Gedanken komme: Sie sei und bleibe Mitglied der N-VA-Fraktion, so Homans noch mit einem Augenzwinkern. Womit dann auch der letzte Stolperstein vor der Eidablegung im flämischen Parlament erfolgreich umgangen war.
Die Regierung besteht neben Ministerpräsident Matthias Diependaele, der auch noch unter anderem die Dossiers Wirtschaft und Industrie, äußere Angelegenheiten und Digitalisierung übernimmt, auch noch aus: Melissa Depraetere von Vooruit, die zuständig ist für die Ressorts Wohnen, Energie, Klima, Tourismus und Jugend und außerdem auch sozialistische Vizeministerpräsidentin ist. Hilde Crevits zeichnet verantwortlich für flämische Innenpolitik, Integration und Einbürgerung und ist die CD&V-Vizeministerpräsidentin. Ben Weyts von der N-VA ist dritter Vizeministerpräsident und außerdem der Mann für den Haushalt und die Finanzen, den Flämischen Rand, Erbgut und Tierwohl. Zuhal Demir, ebenfalls N-VA, übernimmt in der neuen Regierung die Bereiche Unterrichtswesen, Justiz und Arbeit.
Caroline Gennez von Vooruit wechselt von der föderalen Ebene auf die regionale und wird sich ab nun um Gesundheit, Kultur, Armut und Chancengleichheit in Flandern kümmern. Jo Brouns von der CD&V behält das Ressort Landwirtschaft und bekommt noch die Umwelt dazu. Annick De Ridder von der N-VA übernimmt Mobilität, Öffentliche Arbeiten und Sport; und Parteikollegin Cieltje Van Achter schließlich zeichnet verantwortlich für Brüssel und die Medien.
Ein weiterer offizieller Akt fehlte dann aber trotzdem noch: die Eidablegung bei König Philippe. Die betraf allerdings nur den frischgebackenen flämischen Ministerpräsidenten Matthias Diependaele und ging – wie nicht anders zu erwarten – reibungslos über die Bühne. Womit dann auch der traditionellen sogenannten "Septembererklärung" vor dem flämischen Parlament nichts mehr im Weg stand, also der Vorstellung des neuen Regierungsabkommens.
Boris Schmidt