Es sollte ein Höflichkeitsbesuch beim belgischen König sein - so stand es im offiziellen Programm des Vatikans. Doch es zeigte sich, dass die Begegnung mit Papst Franziskus für die Gastgeber und ihre Gäste eine größere Bedeutung hatte. Der Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche hatte schon vor der Ankunft des Papstes den Besuch überschattet. Dass Franziskus davon nicht unberührt blieb, machten seine persönlichen Worte deutlich. "Das ist eine Schande, eine Schande, die wir alle heute angehen müssen. Und wir müssen um Verzeihung bitten und das Problem lösen. Es ist die Schande des Missbrauchs an Minderjährigen."
Als Papst Franziskus auf den Missbrauchsskandal einging, wich er von seinem Manuskript ab und sprach frei - von einem Verbrechen, für das sich die Kirche schämen müsse. Sie müsse alles tun, damit sich so etwas nicht wiederhole.
Die Erwartungen an den Papst, sich zu den Missbrauchsfällen zu äußern, waren bereits im Vorfeld des Besuchs hoch gesteckt worden. Politiker und Presse hatten den Skandal in den vergangenen Tagen wieder thematisiert. Auch König Philippe erinnerte in seiner Rede vor dem Papst daran, dass Kindern großes Leid angetan worden sei. Das gelte auch für die Opfer der Zwangsadoptionen. Es habe so lange gedauert, bis sie ihre Schreie gehört und erkannt worden sei.
Premierminister De Croo wurde in seiner Ansprache deutlich, so wie er es angekündigt hatte: Die Opfer müssten gehört werden. Sie hätten Recht auf die Wahrheit. Worte allein reichten nicht. Es müssten auch konkrete Taten folgen, so De Croo weiter.
Neben dem Missbrauchsskandal nahmen aber auch die aktuellen Kriege einen breiten Raum in den Ansprachen ein. Sowohl König Philippe als auch Premierminister De Croo würdigten das Engagement von Papst Franziskus für Frieden und Dialog. Franziskus selbst äußerte sich besorgt und warnte vor einem Weltkrieg: Wer Grenzen und Verträge verletze und auf Waffengewalt setze, der öffne die Büchse der Pandora. Belgien habe eine wichtige Rolle zu spielen und sei eine unverzichtbare Brücke, um Frieden zu schaffen und Krieg abzuwehren.
Dass dem Papst soziale Gerechtigkeit und die Menschen am Rand der Gesellschaft besonders am Herzen liegen, machte er am Nachmittag mit einem Besuch deutlich, der nicht auf dem offiziellen Programm stand: Im Brüsseler Marollen-Viertel besuchte er das Heim Saint Joseph, das sich um arme ältere Menschen kümmert, die Unterstützung brauchen.
Am späten Nachmittag traf Papst Franziskus in Leuven ein. Die Katholische Universität hatte ihn anlässlich ihres 600-jährigen Bestehens zu einem Austausch eingeladen.
Michaela Brück