Illegale Einwanderung bremsen und Schutz der inneren Sicherheit Deutschlands vor Terroristen und grenzüberschreitender Kriminalität sind laut der deutschen Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Ziele, die Deutschland mit der Wiedereinführung der Grenzkontrollen erreichen will.
Wobei man das eigentlich schon wieder relativieren muss. "Ausweitung" der Kontrollen auf die restlichen Landgrenzen wäre die passendere Bezeichnung. Schließlich kontrolliert Deutschland schon seit der Flüchtlingskrise von 2015 an der Grenze zu Österreich. Seit fast einem Jahr gibt es auch stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz. Neu hinzu kommen ab dem 16. September nur Kontrollen an den Grenzen zu Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Dänemark und Belgien.
Asylstaatssekretärin: Nichts Ungewöhnliches
Die föderale Asylstaatssekretärin Nicole de Moor wirbt in der VRT um Verständnis: Deutschland habe das nach dem furchtbaren Terroranschlag in Solingen mit drei Toten beschlossen, so de Moor. Das sei auch nichts Neues oder Ungewöhnliches. Deutschland habe so etwas auch schon in der Vergangenheit getan.
Dabei sei immer alles sehr korrekt abgelaufen und in Übereinstimmung mit geltendem europäischem Recht. Belgien habe schließlich auch bereits zu solchen Maßnahmen gegriffen, erinnert de Moor außerdem - beispielsweise nach den Anschlägen in Brüssel oder auch während der Corona-Pandemie.
Europapolitik-Experte: Reine Symbolpolitik
Es gibt aber auch andere Sichtweisen - zum Beispiel die, dass die Maßnahme vor allem gedacht ist, um politisch zu punkten. Denn nicht vergessen: Die deutsche Ampel gerät immer stärker unter Druck von rechts und extrem rechts.
Eine Einschätzung, die auch Hendrik Vos, Experte für Europapolitik von der Universität Gent, teilt: Was Deutschland da mache, sei eine Art Symbolpolitik, auch andere Länder täten gerade Ähnliches. Wer wirklich Kriminelle und illegale Migranten draußen halten wolle, brauche schon mehr als Kontrollen auf den Autobahnen und einigen Hauptverkehrsachsen.
Eine wirksame Kontrolle der Grenzen erfordere Stacheldraht und Beobachtungstürme und eine Überwachung selbst kleinster Wege und Pfade. So etwas sei eigentlich nicht realistisch. Weder Terroristen noch Migranten, die all die Strapazen und Gefahren auf sich genommen hätten, um so weit zu kommen, würden einfach auf einer Straße auf angekündigte Kontrollen warten.
Negativer wirtschaftlicher Effekt von Kontrollen
Der Experte sieht auch ganz handfeste Gründe gegen umfassende Kontrollen. Gerade Deutschland habe eine sehr offene Wirtschaft und deshalb auch Interesse an einem flüssigen Warenverkehr und daran, dass es an den Grenzen nicht zu langen Staus komme. So etwas könne sich heutzutage doch niemand mehr erlauben. Genau deshalb sei bei der Schließung der Grenzen während der Corona-Krise auch ganz schnell wieder zurückgerudert worden.
Diese Argumente führt auch Innenministerin Annelies Verlinden an, allerdings für die belgische Seite der Grenze. Belgien habe eine sehr offene Wirtschaft, betont Verlinden. Die Menschen überquerten zum Einkaufen, Arbeiten und so weiter häufig die Grenzen zu den Nachbarländern. Grenzkontrollen würden also auch sie einschränken. Deswegen werde Belgien auch keine strengen Grenzkontrollen einführen. Dafür gebe es aktuell einfach keinen Anlass. Man verfolge die Lage aber sehr aufmerksam, versichert Verlinden.
Boris Schmidt