Wer das Wort Produktfälschungen hört, denkt wahrscheinlich zuerst an Luxusprodukte, zum Beispiel an nachgemachte Handtaschen, Schuhe und Kleidung, Uhren, Handys, Parfüms oder ähnliches, auf denen vor allem gut sichtbar ein begehrter Markenname stehen muss.
Eigentlich wird alles gefälscht, was sich irgendwie verkaufen lässt, das Phänomen beschränkt sich längst nicht mehr nur auf Luxus-Marken. Das wissen auch die Menschen, die sich von Berufs wegen intensiv mit Produktpiraterie befassen müssen - die Spezialisten von der Wirtschaftsinspektion. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Jagd auf gefälschte Produkte. Wie groß das Problem mittlerweile ist, lassen die Zahlen erahnen, die der zuständige FÖD Wirtschaft veröffentlicht hat: Im Rahmen von vier großen Operationen gegen Produktpiraterie hat die Wirtschaftsinspektion innerhalb kurzer Zeit 350.000 gefälschte Spielsachen, 16.000 Kleidungsstücke und etwa 10.000 Fläschchen Parfüm beschlagnahmt.
Dabei hat es sich noch nicht einmal um landesweite Razzien gehandelt, wie Sprecher Etienne Mignolet in der RTBF unterstreicht. Diese gefälschten Produkte seien vor allem in der Region Brüssel beschlagnahmt worden, genauer gesagt im Norden der Hauptstadt. Die Ausbeute ist umso beeindruckender, wenn man sie mit früheren Zahlen vergleicht: Zwischen 2019 und 2023 hatte die Wirtschaftsinspektion insgesamt 635.000 gefälschte Produkte beschlagnahmen können - in vier Jahren zusammen weniger als doppelt so viel wie nun in einigen Monaten.
Lächerlich niedrige Preise für Waschmittel
Neben den genannten Produkten sticht aber vor allem noch eine andere Kategorie beschlagnahmter Waren aus der Aufstellung heraus: Waschmittel. Fast 20.000 Liter Flüssigwaschmittel sowie 16 Tonnen Waschpulver haben die Ermittler bei ihren jüngsten Operationen gefunden. Ware, die rein optisch kaum als Fälschung zu erkennen gewesen sei, so die Wirtschaftsinspektion. Was hingegen herausstach, waren die fast schon lächerlich niedrigen Preise, zu denen die Kriminellen die angeblich hochwertigen Reinigungsprodukte unter anderem auf Märkten verkauften. Das brachte ihnen aber nicht nur massenhaft Kunden ein, sondern auch die Aufmerksamkeit der Ermittler der Wirtschaftsinspektion.
Von den Verkäufern habe man den Weg des Waschmittels zurückverfolgen können, bestätigt Sprecher Mignolet. So sei es gelungen, nicht nur geheime Lager ausfindig zu machen, sondern auch die geheimen Fabriken, in denen das gefälschte Waschmittel hergestellt beziehungsweise abgefüllt und verpackt worden sei.
Dass Waren quasi direkt vor Ort gefälscht werden, ist laut Wirtschaftsinspektion nicht ungewöhnlich. Das verkürze die Wege zu den Absatzmärkten enorm - und damit auch die Gefahr, dass die Produktfälschungen während des Transports entdeckt würden.
Großer wirtschaftlicher Schaden
Das Wirtschaftsministerium weist im Zusammenhang mit den Beschlagnahmungen auch erneut auf den großen wirtschaftlichen Schaden durch Produktfälschungen hin: Laut Schätzungen gehen dadurch allein in Belgien pro Jahr etwa 4.000 Arbeitsplätze verloren und entsteht der Wirtschaft ein Schaden von über 430 Millionen Euro - plus entgangene Steuern und Abgaben in Höhe von deutlich über einer halben Milliarde Euro.
Gefälschte Produkte zu kaufen sei aber nicht nur moralisch bedenklich, sondern potenziell auch gesundheitlich, betont die Wirtschaftsinspektion ebenfalls - auch am Beispiel der nachgemachten Markenwaschmittel. Im besten Fall sei einfach nur viel Wasser drin. Somit wasche das Waschmittel zwar nicht viel, aber das sei nicht weiter tragisch. In anderen Fällen könnten aber auch toxische Produkte enthalten sein. Da man Kleidung oft direkt auf der Haut trägt, braucht man nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, dass das durchaus schwerwiegende Folgen haben kann.
Boris Schmidt