Dass Belgien enorm wichtig ist für den internationalen organisierten Drogenhandel, das ist altbekannt. Denn mit seinen Häfen und seiner zentralen Lage ist es das Einfallstor nach Europa und eine wichtige Drehscheibe für den Weitertransport der Drogen. Aber in den letzten Jahren ist die Drogen-Gewalt zumindest gefühlt deutlich eskaliert. Wobei die Gewalt auch schon vorher da gewesen sei, betont die Nationale Drogenkommissarin Ine Van Wymersch im Interview mit Radio Eén. Nur habe sie sich in dunklen Gassen und Hinterhöfen abgespielt, dort, wo normale Bürger nicht viel davon mitbekommen hätten.
Wegwerf-Täter
Mittlerweile seien die Kartelle in Belgien aber auf die sogenannte "Marseiller Methode" umgestiegen. Die Banden benutzten nun "Wegwerf-Täter". Das seien Menschen, die nichts zu verlieren hätten und die schwere Waffen in die Hände gedrückt bekämen, um die Drecksarbeit zu erledigen. Diese Täter schreckten auch nicht davor zurück, brutale Gewalt zu Zeiten und an Orten einzusetzen, die das Leben Unschuldiger in Gefahr brächten.
Es sei quasi unmöglich, diese Art von Verbrechern unter Kontrolle zu bekommen, mit ihrem Geld hätten die Kartelle Zugriff auf ein schier unerschöpfliches Reservoir an immer neuen Handlangern.
Diese Art der Gewalt könne nur verhindert werden, indem gegen die organisierte Kriminalität als Ganzes vorgegangen werde. Dabei dürfe man sich auch nicht nur auf den Drogenhandel konzentrieren, sondern auch auf die anderen Betätigungsfelder der organisierten Kriminalität, so wie zum Beispiel Waffen- und Menschenhandel oder auch den Handel mit gefälschten Dokumenten.
Die Banden operierten auf der Basis von "Verbrechen als Dienstleistung" und seien auch entsprechend organisiert. Sie dächten also in Kategorien wie "was brauchen wir" und "wie können wir am meisten Geld verdienen".
Drogen beispielsweise würden immer Abnehmer finden, räumt Van Wymersch ein, deswegen sei es auch quasi unmöglich den Markt zu zerstören. Stattdessen müsse man die organisierte Kriminalität da treffen, wo es möglich sei: bei ihrem Geld.
Umkehr der Beweislast
Das Hauptziel der Banden sei wie gesagt, so viel Geld wie möglich zu verdienen. Aber damit sei es ja nicht getan, das Geld müsse auch noch gewaschen werden. Deswegen versuchten die Kriminellen das illegal verdiente Geld zu investieren, damit Polizei und Justiz nicht mehr ermitteln könnten, woher das Geld eigentlich komme. Dieser Geldwäschekreislauf müsse zerstört werden.
Dazu will die Nationale Drogenkommissarin eine Umkehr der Beweislast einführen lassen. Wenn nicht ersichtlich sei, wie eine Person zum Beispiel einen luxuriösen Lebensstil finanziere, dann müsse diese Person den Behörden gegenüber beweisen, dass alles mit rechten Dingen zugehe, dass Einkommen und Besitztümer aus legalen Quellen stammten und auf legale Weise erworben worden seien - und nicht umgekehrt wie bisher. Wenn jemand kein entsprechendes Einkommen habe, aber dennoch dicke Autos fahre oder andere Luxusgüter besitze, dann wisse doch jeder, dass da was nicht stimmen könne.
Solche Systeme der Beweislastumkehr existierten in anderen europäischen Ländern bereits und hätten sich dort als effektiv erwiesen, betont die nationale Drogenkommissarin. Das könne also auch in Belgien perfekt eingeführt werden, um im Kampf gegen die organisierte Kriminalität einen Gang höher schalten zu können.
Boris Schmidt