Im Schnitt gibt es in Belgien pro Woche etwa hundert Unfälle mit Fahrerflucht. Im vergangenen Jahr starben 19 Menschen bei solchen Unfällen. Das geht aus Zahlen des Verkehrssicherheitsinstituts Vias hervor.
Bei der Statistik geht es nicht um relative Kleinigkeiten oder sogenannte "Kavaliersdelikte", wie kleine Parkplatzrempler mit Lackschäden oder ein Streifen beim Überholvorgang. Es geht ausschließlich um Verkehrsunfälle mit Personenschäden, also Unfälle, bei denen Menschen verletzt oder getötet worden sind, und Fahrer, die die Flucht ergriffen haben, ohne zu helfen oder Hilfe zu rufen. Zwischen 2014 und 2023 hat die Zahl dieser Vergehen laut Vias um neun Prozent zugenommen, die Zahl der Opfer ist im gleichen Zeitraum um acht Prozent gestiegen.
Aber nur weil der Befund eindeutig ist, heißt das nicht, dass es dafür auch klare und einfache Erklärungen gibt, warnt Sprecher Stef Willems von Vias gegenüber der VRT. In psychologischer Fachliteratur werde etwa auf die zunehmende Individualisierung verwiesen. Das könne dazu führen, dass bei mehr Menschen gesellschaftliche Schranken fielen beziehungsweise, dass sie weniger am Schicksal ihrer Mitmenschen interessiert seien.
Oft sind schwächere Verkehrsteilnehmer die Opfer
Willems hat aber auch noch einen greifbareren Grund: Am häufigsten würden schwächere Verkehrsteilnehmer Opfer von Unfällen mit Fahrerflucht. Also zum Beispiel Fußgänger, Fahrradfahrer oder E-Scooter-Benutzer.
Die Zahl der Radler und Roller-Benutzer sei in den letzten Jahren gestiegen. In absoluten Zahlen gebe es logischerweise also auch mehr Unfallopfer unter diesen Gruppen.
Alkohol und Drogen sind häufig im Spiel
Was die Unfallflüchtigen betrifft, ergibt sich laut Vias auch häufig ein typisches Muster: Viele der Täter hätten vor dem Unfall Alkohol oder andere Drogen konsumiert. Oder seien illegal unterwegs, also zum Beispiel mit Papieren, die nicht in Ordnung seien. Solche Menschen glaubten dann oft, sich einer Bestrafung durch Fahrerflucht entziehen zu können. Das sehe man auch daran, dass sich einige von ihnen Stunden nach dem Unfall doch meldeten, wenn der Einfluss der Drogen abgeklungen sei. Aber dann sei der Schaden, was die Opfer betreffe, leider schon angerichtet.
Die einzig gute Nachricht sei, dass die Aufklärungsquote spürbar gestiegen sei. Vor zehn Jahren seien noch etwa 25 Prozent der Täter nicht gefasst worden. Aktuell seien es weniger als 14 Prozent.
Härtere Strafen
In diesem Zusammenhang verweist Willems auch auf die empfindliche Verschärfung der Strafen: Je nach Schwere des Vergehens sind mittlerweile bis zu mehrere Jahre Gefängnis möglich. Allerdings hält der Vias-Sprecher schwerere Strafen nur bedingt für nützlich, um Unfallflucht zu bekämpfen. Eine Strafe stehe am Ende eines Prozesses nach einem Unfall, es müsse aber darum gehen, solche Unfälle mit Fahrerflucht von vornherein zu vermeiden.
Angesichts des Profils zahlreicher Täter bedeute das häufigere und strengere Alkohol- und Drogenkontrollen. Und die Einführung eines digitalen Führerscheins beziehungsweise eines Führerscheins mit Punkten. Oft handele es sich bei Drogensündern um Wiederholungstäter. Diese Personen müssten schneller aus dem Verkehr gezogen werden können, dabei könne ein Punktesystem helfen.
Aber dennoch müsse man realistisch bleiben, unterstreicht Willems. Trotz aller Hürden und Kontrollen seien es letzten Endes die Täter selbst, die entschieden, sich ins Auto zu setzen. Und bei einem Unfall gegebenenfalls jemanden einfach am Straßenrand liegen zu lassen. Deswegen appelliert Vias auch eindringlich an deren Gewissen: Das einzige richtige Verhalten sei anzuhalten und zu helfen. Ganz egal, in welchem Zustand man den Unfall verursacht habe.
Denn in einigen Fällen könne das den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Besonders nachts, wenn die Chance klein sei, dass andere Menschen Opfer zufällig fänden und so wertvolle potenzielle Behandlungszeit verloren gehe.
Boris Schmidt