Man habe bisher keine Verbindungen der Opfer ins Drogenmilieu gefunden, bestätigt der Korpschef der Polizeizone Brüssel-Süd, Jurgen De Landsheer, am Freitag in der VRT. Es sei auch unklar, ob es eine Verbindung zur großangelegten Polizeiaktion früher in der Woche in der ebenfalls einschlägig bekannten Peterbos-Siedlung in Brüssel gebe. Aber ausschließen könne man das ganz sicher auch nicht.
Unruhe in der Szene wegen polizeilicher Ermittlungen
Dennoch sei es so, dass die Polizei aktuell sehr aktiv sei bei der Bekämpfung der Drogenbanden. Es gebe also immer wieder Aktionen, nicht alle davon seien so sichtbar wie die in Peterbos. Das führe zwangsläufig zu viel Unruhe und Instabilität in der Drogenszene. Die Kriminellen verlören dabei schließlich Geld, Drogen und so weiter. Das könne dazu führen, dass die Kriminellen dann auch nach möglichen Informanten in den eigenen Reihen suchten oder nach Menschen, die Fehler begangen hätten.
Eine der wenigen gesicherten Erkenntnisse aus dem Angriff auf die Café-Terrasse ist, dass dabei wohl eine Kriegswaffe zum Einsatz gekommen ist. Für viele Beobachter ist das ein Hinweis für einen Drogen-Hintergrund. Bei jeder Aktion gegen die Drogenmafia würden Waffen sichergestellt, so auch De Landsheer, von schweren Waffen wie Maschinengewehren über Handfeuerwaffen bis hin zu Schreckschusswaffen.
"Es gibt kein Wundermittel gegen das Problem"
Der Korpschef verwehrt sich auch gegen die Vorstellung, dass die Sicherheitsbehörden das Problem jemals allein lösen könnten. Da gebe es einfach kein Wundermittel, weder immer mehr Polizei noch eine noch bessere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Diensten. Stattdessen müsse gegen die Ursachen vorgegangen werden. Das bedeute zum einen einen stärkeren Kampf gegen den Konsum von Drogen. Denn solange es eine Nachfrage gebe, werde es immer auch ein Angebot geben, mit all den negativen Folgen, die das mit sich bringe.
Ganz entscheidend sei aber, den Drogenkartellen den Personalnachschub abzuschneiden. Die sozial schwachen Menschen rund um den Südbahnhof seien wie eine Arbeitsagentur für die Drogenbanden, so der Korpschef. Billige Arbeitskräfte, zum Beispiel aus den Reihen von Ausländern, die sich illegal in Belgien aufhalten und auf der Straße leben. Sobald die Polizei jemanden festnehme, fänden die Kartelle sofort jemand Neues, der bereit sei, für 150 Euro Drogen auf der Straße zu verkaufen und dabei sein Leben zu riskieren.
Immer wieder Minderjährige als Drogendealer
Aber die Kriminellen haben noch ein anderes Reservoir: Minderjährige. Die Polizei erwische immer wieder Zwölf- oder 13-Jährige aus dem ganzen Land. Deswegen könne man auch nicht von einem Brüsseler Problem sprechen. Diese Kinder und Jugendlichen kämen quasi als Drogen-Flexi-Jobber aus der Wallonie und aus Flandern nach Brüssel. Manchmal geschieht das sogar mit dem Wissen der eigenen Eltern, um zum Unterhalt der Familie beizutragen. Das seien gesellschaftliche Probleme, die weit über die Zuständigkeiten und Mittel der Polizei hinausgingen.
Der Nachschub an Menschen, die von den Drogenbanden missbraucht werden könnten, müsse wirklich an der Quelle abgeschnitten werden, fordert Korpschef De Landsheer. Ansonsten sei das ein Fass ohne Boden.
Zeugenaufruf der Polizei
Nach der tödlichen Schießerei in einem Café in der Nähe des Brüsseler Südbahnhofs bittet die Polizei die Bevölkerung um Mithilfe.
Unbekannte hatten Donnerstagnacht die Terrasse des Cafés gestürmt und mit Kalaschnikows auf die Gäste geschossen. Zwei Menschen wurden dabei getötet und drei weitere verletzt, zwei davon lebensgefährlich.
Zur Klärung des genauen Tathergangs sucht die Polizei nach Bildmaterial aus Überwachungskameras und Handys. Zudem bittet die Polizei mögliche Zeugen, ihre Beobachtungen zu melden, entweder per E-Mail an avisderecherche@police.belgium.eu oder telefonisch unter 0800 30 300. Alle Hinweise werden vertraulich behandelt.
Boris Schmidt