Noch ist nichts zu sehen von dem Projekt, was in Forschungskreisen als "einmalig in der Welt" gepriesen wird. Noch stehen viele Bäume dort, wo in drei Jahren schon Minerva stehen soll. Minerva ist der Name eines Teilchenbeschleunigers. 300 Meter soll Minerva lang werden und das Herzstück bilden von dem, was in internationalen Wissenschaftskreisen der Atomforschung unter dem Namen "Myrrha" längst bekannt ist.
Myrrha ist eine Abkürzung für englischsprachige Begriffe, die auf Deutsch übersetzt so viel bedeuten wie "Multi-funktionaler Hybrid-Forschungs-Reaktor für High-Tech-Anwendungen", also eine Atomforschungsanlage, in der unterschiedliche praktische Anwendungen der Kernphysik getestet werden sollen.
Geistiger Vater des Projekts und auch Leiter des vielköpfigen Forscherteams aus 25 Ländern ist Hamid Aït Abderrahim. Unter anderem ist er Professor für Kernphysik an der Universität Neu-Löwen. "Minerva ist der Beschleuniger, der den Reaktor steuert. Wenn man den Beschleuniger ausschaltet, wird auch der Reaktor in einer Mikro-Sekunde gestoppt", erklärt Aït Abderrahim. Der Reaktor muss in einer weiteren Bauphase erst noch entstehen.
Vorteile
Wenn alles gut läuft, wird die komplette Anlage 2038 in Betrieb gehen können. Und dann versprechen sich die Forscher viele Vorteile von dem, was sie in Mol testen können. Beispiel: Die gerade genannte Möglichkeit, einen Atomreaktor von jetzt auf gleich einfach so abzuschalten. Zurzeit ist so etwas noch nicht möglich.
Anderes Beispiel: Stromerzeugung. Dank der neuen Technik mit Minerva soll in einer Sekunde so viel Strom erzeugt werden können, wie eine ganze Familie im Jahr verbraucht. Nächstes Beispiel: Die Behandlung von Atommüll aus Atomkraftwerden. "Es wird uns möglich sein, die Strahlkraft von Atomabfall aus Atomkraftwerken von aktuell rund 300.000 Jahren auf 300 Jahre zu verringern", sagt Aït Abderrahim.
Auch das Volumen von Atommüll soll deutlich reduziert werden - durch die Behandlung des Atommülls durch gezielte Bestrahlung, die in Mol entwickelt werden soll. Weniger Volumen Atommüll und kürzere Strahldauer des Abfalls - ein Schritt nach vorn bei der Frage, wie man mit Abfällen aus der Kernenergie umgehen soll.
Medizinischer Nutzen
Und auch der Gesundheitssektor soll von dem Forschungsprojekt profitieren. "Für die Krebsbehandlung durch Strahlentherapie brauchen wir ein neues Isotop. Und man sieht ja, dass immer mehr und immer jüngere Menschen an Krebs erkranken. Für unsere Forscher ist das eine Motivation, weil sie sich sagen: Unsere Bemühungen werden einen Nutzen für viele Menschen haben."
Die EU unterstützt den Bau der Forschungsanlage finanziell genauso wie die belgische Regierung. In Mol war deshalb auch Noch-Energieministerin Tinne Van der Straeten vor Ort. Es müsse sich erst noch zeigen, ob der Reaktor die Hoffnungen erfülle, die in ihn gesteckt würden, sagte die Grünen-Politikerin zunächst noch skeptisch. Um direkt hinzuzufügen, dass die Anlage ein Beispiel dafür sei, dass Belgien Pionier in der Kernforschung bleibe und da vor allem auch der medizinische Nutzen der Atomtechnologie im Vordergrund stehe.
Kay Wagner