Der 9. August 1993, der Tag, an dem sich das Leben von Albert noch einmal drastisch veränderte. Als neuer König der Belgier leistet er vor den versammelten Kammern den Eid als sechster König der Belgier - mit knapp 60 Jahren, in einem Alter, in dem andere eigentlich nur noch an die Rente denken.
Eigentlich war nicht vorgesehen, dass Albert irgendwann den Thron besteigen sollte. Der designierte Thronfolger war sein Sohn Philippe. Dieser Plan wurde über den Haufen geworfen durch den unerwarteten Tod von König Baudouin, der am 31. Juli 1993 plötzlich an einem Herzinfarkt verstorben war. Baudouin war da erst 62 Jahre alt. Philippe war zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheiratet; vielleicht hat man es auch deswegen vorgezogen, Albert als Nachfolger einzusetzen, als eine Art "Übergangskönig".
Fast 20 Jahre König
Albert II. wurde aber deutlich mehr als das. Erstmal wurde das Intermezzo viel länger als gedacht: Fast genau 20 Jahre blieb er auf dem Thron. Zwar waren die Fußstapfen, in die er treten musste, wirklich sehr groß: Baudouin hatte die Monarchie quasi personifiziert. Er war der Inbegriff von Ernsthaftigkeit und Pflichtbewusstheit, zugleich aber - nicht zuletzt wegen der Aura der Menschlichkeit, die ihn umgab - ungemein populär. Albert hingegen galt bis dahin so ein bisschen als der Hallodri der Königsfamilie. Doch war es vielleicht gerade die Tatsache, dass beide Brüder so verschieden waren, die Albert letztlich dabei geholfen hat, seinen Weg zu finden. Der manchmal etwas grauen Nüchternheit und melancholischen Nachdenklichkeit von Baudouin folgten die extrovertierte Lebensfreude und die schelmische Frohnatur von Albert…
Was freilich nicht bedeutete, dass er sein Amt und seine Rolle nicht ernst nahm. Es gibt da einige berühmt gewordene Beispiele. Im Jahr 1996, nach dem Ausbruch der Dutroux-Affäre, mahnte er etwa die verschiedenen Institutionen des Landes, allen voran die Justiz, zu Demut und Selbstkritik. Noch ein zweites Mal schlug Albert mit der Faust auf den Tisch. Den Knall hat man dann aber wirklich bis in die Rue de la Loi gehört. "Es ist ja wohl selbstverständlich, dass jede Partei Zugeständnisse machen und seine Verantwortung übernehmen muss", sagt ein sichtbar erboster König Albert am 20. Juli 2011, am Vorabend des Nationalfeiertages. Damals war das Land schon seit über einem Jahr ohne Regierung. Nach dieser königlichen Standpauke rauften sich die Parteien tatsächlich zusammen. Diese Episode ging als die 541-Tage-Krise in die Geschichte ein.
Abdankung
Das war sein politisches Meisterstück. Aber zugleich vielleicht auch der berühmte Tropfen. Albert ist müde. Immer wieder schießen Gerüchte ins Kraut, in denen von einer möglichen Abdankung die Rede ist. Am 3. Juli 2013 wurde es mit einem Mal Realität: König Albert kündigte seinen Thronverzicht an: Am 21. Juli, am Nationalfeiertag, werde sein Sohn Philippe die Fackel übernehmen.
Dennoch wurde es ruhig um den König. Einzig die Affäre um Delphine Boel sorgte noch in regelmäßigen Abständen für Schlagzeilen. Albert war schon während seiner Amtszeit von seiner Vergangenheit eingeholt worden. 1999 enthüllte ein flämischer Journalist die Existenz einer unehelichen Tochter: Delphine Boel. König Albert räumte öffentlich immerhin ein, dass er und Königin Paola eine Ehekrise durchgemacht haben. Nur: Sich zu seiner Tochter bekennen, das wollte er nicht. Delphine musste erst durch alle Instanzen gehen, bis Albert am Ende wirklich keine andere Wahl mehr blieb, als die Vaterschaft anzuerkennen.
Diese Affäre hat seinem Image durchaus geschadet. Doch bleibt Albert II. dennoch in guter Erinnerung. Er hat maßgeblich dafür gesorgt, dass sich das Königshaus öffnet. Eer hat damit auch die Zukunft der Monarchie gesichert. Ein Weg, den sein Sohn und Nachfolger Philippe konsequent fortgesetzt hat.
Seit seiner Abdankung sind nun auch schon wieder fast elf Jahre vergangen. Vergessen hat man König Albert dafür nicht. Sein sonniges Gemüt, diese Mischung aus Geselligkeit, aber auch Pflichtbewusstsein, all das hat König Albert ungemein populär gemacht. Beispielhaft dafür stehen die Feiern zum damals 10-jährigen Thronjubiläum am 21. Juli 2003.
Albert II., der - wegen seiner Volksnähe und auch seiner burgundischen Lebensart - wohl belgischste König wird am Donnerstag 90 Jahre alt.
Roger Pint