"Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und auch Verteidigungsminister Yoav Gallant tragen strafrechtliche Verantwortung." Dieser Satz von Karim Khan, dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, ist so ein bisschen überall auf der Welt wie eine Bombe eingeschlagen. Vor allem in Israel selbst, wo zuallererst Netanjahu persönlich seine Empörung zum Ausdruck brachte - und dann aber auch gleich in den USA.
Dann zählte Karim Khan die Verbrechen auf, die er den israelischen Regierungsvertretern zur Last legt: Kriegsverbrechen, unter anderem durch das Aushungern von Zivilisten, durch Angriffe auf die Zivilbevölkerung, durch Ausrottung und Mord. Deswegen beantragt der Chefankläger Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant.
Doch hat der Internationale Strafgerichtshof auch die Gegenseite, die Hamas, im Fadenkreuz. Khan beantragte ebenfalls Haftbefehl gegen drei Männer, die zur Führungsspitze der islamistischen Terrorgruppe zählen. Ihnen wirft er ebenfalls Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor: unter anderem Mord, Geiselnahme, Vergewaltigungen und Folter.
Karim Khan, ein gebürtiger Brite, ergreift nicht Partei, sondern er will gegen beide Seiten ermitteln. Eben beide Seiten werfen ihm vor, die Täter und die Opfer zu vertauschen. Netanjahu und die Hamas gleichzusetzen, sei eine Schande, erklärte auch US-Präsident Joe Biden.
Die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen
Demgegenüber haben Vertreterinnen der Föderalregierung das Vorgehen des Chefanklägers in Den Haag ausdrücklich begrüßt. Der Kampf für die Achtung des intentionalen Rechts und gegen Straffreiheit stehe im Zentrum der belgischen Außenpolitik, sagte Außenamtschefin Hadja Lahbib in der RTBF. Belgien habe sogar seinen Beitrag zugunsten des Internationalen Strafgerichtshof um fünf Millionen Euro aufgestockt - nach der Terrorattacke vom 7. Oktober. Dies eben, um dem Gericht Ermittlungen auf dem Terrain zu ermöglichen.
"Wir haben den Internationalen Strafgerichtshof finanziert, damit er Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahnden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen kann. Wenn das am Ende auch passiert, kann man das doch nur begrüßen", sagte auch Caroline Gennez, die Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit, in der VRT. "Wir vertrauen eben dem Internationalen Strafgerichtshof", sagen beide Ministerinnen.
Hier handele es sich um nicht weniger als den Hüter des Internationalen Rechts, sagte Gennez. In dieser Eigenschaft habe der Gerichtshof die Aufgabe, Verstöße zu ahnden, fügt Außenministerin Lahbib hinzu - das ungeachtet dessen, um wen es da im Einzelnen gehe. "Hier stehen schließlich schwerwiegende Vorwürfe im Raum", sagt Entwicklungshilfeministerin Gennez.
Was die Hamas angeht, so muss man sich nur nochmal die Terrorattacke vom 7. Oktober vor Augen führen. Das spottet einfach nur jeder Beschreibung. Entsprechend seien strafrechtliche Ermittlungen mit Sicherheit gerechtfertigt. Was Israel angeht: Hier stehen immerhin Vorwürfe wie das Aushungern der Zivilbevölkerung im Raum, wobei jeder doch eigentlich alles tun sollte, um einen Völkermord zu verhindern.
Beide Ministerinnen machen sich aber keine Illusionen. Israel, wie im Übrigen auch die USA, haben den Internationalen Strafgerichtshof nicht anerkannt. Ohnehin handele es sich erstmal nur um einen Antrag.
Ob die Haftbefehle am Ende tatsächlich ausgestellt werden, müsse jetzt ein dreiköpfiges Richterkollegium entscheiden. Das wird wahrscheinlich erst in einigen Monaten passieren. Bis dahin könne man nur abwarten, sagt Außenministerin Lahbib.
USA nehmen Israel gegen Vorwürfe des Strafgerichtshofs in Schutz
Roger Pint