Im flämischen Fernsehen konnten die Zuschauer in der Vergangenheit schon so einiges sehen: der Vooruit-Chef Conner Rousseau – noch vor seinem Fall – in einem Hasenkostüm bis zur Unkenntlichkeit verkleidet oder aber der CD&V Parteivorsitzende Sammy Mahdi als aufgedonnerte Drag-Queen auf Stöckelschuhen. Und jetzt das: Sieben Politiker drei Tage lang isoliert in einem Haus in den Ardennen zusammen mit einem Journalisten und den Kamerateams des Fernsehsenders. Das zumindest behauptet der flämische Privatsender VTM, der dieses Format ins Leben gerufen hat. "Het Conclaaf" – das Konklave – nennt VTM die Sendung. Aus dem Zusammenleben der Politiker hat der Fernsehsender vier Episoden zu je einer Stunde zusammengestellt, die jeweils donnerstagabends ausgestrahlt werden.
Das Salz in der Suppe sind dabei natürlich die Politiker. VTM hat die Crème de la Crème der flämischen Politik vereint. Jede Partei stellt einen Mitbewohner der WG. Darunter: vier Parteichefs, ein Premierminister, eine Föderalministerin und ein Politiker, der sich eigentlich aus der Politik zurückgezogen hatte. Im Einzelnen sind das Bart De Wever für die N-VA, Tom Van Grieken für den Vlaams Belang, Alexander De Croo für die OpenVLD, Sammy Mahdi von der CD&V, Petra De Sutter für Groen, Raoul Hedebouw für die PVDA, wie sich die PTB in Flandern nennt, und eben der Politiker ohne Funktion, den Bart De Wever im Trailer, dem Werbefilmchen für die Sendung, mit folgenden Worten begrüßt: "Sieh mal einer an: Auferstanden von den Toten?" Gemeint ist natürlich Conner Rousseau, der in "Het Conclaaf" Vooruit vertritt. Gleich so, als ob er es doch nicht lassen könnte, das populäre Gesicht seiner Partei zu spielen, obwohl diese Partei mittlerweile von Melissa Depraetere geführt wird.
Natürlich soll es in der Sendung um Politik gehen. Der populäre flämische Journalist Eric Goens organsiert mit den Bewohnern große Gesprächsrunden, führt Einzelinterviews, lädt zu Debatten-Duellen ein. Im Trailer zu der Sendung gibt es Einblicke dazu: "Ich versuche, in der Politik authentisch zu bleiben", sagt zum Beispiel Sammy Mahdi. "Wenn wir über die Abschaffung des Index reden, müssen wir Rücksicht nehmen auf die Menschen, die am Existenzminimum leben", gibt Rousseau im Gespräch mit De Wever zu bedenken. "Was Tom Van Grieken mir heute Abend gesagt hat, ist eigentlich, dass ich keine Daseinsberechtigung habe", beklagt sich Petra De Sutter, die sich vor Jahren einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hatte.
Der angesprochene Van Grieken taucht auch im Trailer auf. In einer Szene steht er in der Küche zusammen mit Rousseau und De Wever bei einem Herd. De Wever steht mit verschränkten Armen etwas abseits und schaut nur zu, wie Rousseau und Van Grieken einen mit Wasser gefüllten Topf auf eine Herdplatte stellen. "Wasserkochen, das ist keine Raumfahrttechnik", sagt dazu Van Grieken.
Solche Alltagsszenen werden in der VTM-Sendung ebenso gezeigt wie etwa eine Schachpartie zwischen De Wever und De Sutter. Zwischendurch durften die Politiker das Haus dann wohl doch mal verlassen. Eine Szene im Trailer zeigt Raoul Hedebouw in der Natur. Gerade hat er einen Eichelhäher entdeckt, der im Niederländischen Vlaamse Gaai heißt. "Oh, ein Eichelhäher, ein Vlaamse Gaai", sieht und hört man Hedebouw entzückt sagen. "Bart De Wever würde sich freuen."
Mit der Sendung ist VTM mit Sicherheit ein medialer Coup gelungen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Qualität der politischen Gespräche die hohen Erwartungen erfüllt, die die Sendung weckt, und ob das Format wirklich einen Beitrag dazu liefert, dass die flämischen Wähler mit mehr Erkenntnissen am 9. Juni wählen.
Kay Wagner