1:35 Uhr am frühen Samstagmorgen. Gheorghe Tibil ist mit seinem Renault-LKW auf der E42-Autobahn unterwegs nach Frankreich. Gerade ist er im Begriff, die Grenze zwischen den Provinzen Lüttich und Namur zu überqueren. Er befindet sich auf dem Teilstück zwischen Héron und Andenne.
Was Gheorghe nicht ahnen kann: Auf einer Autobahn-Brücke haben mehrere Unbekannte einen irren Plan gefasst, der ihm zum Verhängnis werden sollte.
Es ist dunkel, der LKW schnurrt vor sich hin, plötzlich ein enormer Knall. Durch die Windschutzscheibe kracht ein großes, schweres Stück Gusseisen. Gheorghe wird am Kopf getroffen und ist wahrscheinlich auf der Stelle tot.
Der LKW schwankt hin und her. Gheorghes Frau Ghita, die in der Koje schläft, wird mit einem Schlag wach. Geistesgegenwärtig greift sie ins Steuer und schafft es - wie durch ein Wunder - das Fahrzeug zum Halten zu bringen.
"Wir sind gleich mit allen zur Verfügung stehenden Kräften ausgerückt", sagte in der RTBF Stéphane Bouquette, Kommandant der zuständigen Hilfeleistungszone Hemeco. Man habe allerdings nur noch den Tod des LKW-Fahrers feststellen können.
Nicht den Hauch einer Chance
Die Einsatzkräfte müssen nicht lange herumrätseln, was passiert ist. In der LKW-Kabine liegt ein übergroßes Beweisstück: "Ein Kanalgitter haben wir in dem Fahrzeug gefunden", sagt Stéphane Bouquette. Der Schachtdeckel muss die Windschutzscheibe durchschlagen und den Mann am Kopf getroffen haben.
Der Schachtdeckel wurde also von der Autobahnbrücke auf den LKW geworfen. Gheorghe hatte nicht den Hauch einer Chance. Ein solches Einlaufgitter wiegt locker 40 bis 50, Kilo, mitunter sogar mehr. Das Ding muss regelrecht eingeschlagen sein wie eine Bombe.
"Und es hätte noch mal schlimmer kommen können", sagt Kommandant Stéphane Bouquette. Wenn die Dame nicht sofort reagiert hätte, dann hätte dem einen Unglück noch ein weiteres folgen können. Doch bringt das Gheorghe natürlich nicht mehr zurück.
Kein Zufall
Die Polizei startete gleich die Fahndung nach dem oder den mutmaßlichen Tätern. Dabei gehe man von einer vorsätzlichen Tat aus, wurde ein Vertreter der zuständigen Staatsanwaltschaft Namur zitiert. Ein Untersuchungsrichter sei mit dem Fall betraut worden. Und der ermittele bis auf Weiteres wegen Mordes.
Denn dass die Täter den LKW auf derart schrecklich präzise Weise getroffen haben, das kann kein Zufall sein, sind die Ermittler überzeugt. Das gehöre ein gehöriges Maß an Timing. Mit anderen Worten: Da war ganz klar Absicht im Spiel.
Aber Zeugen gab es keine. Ausgerechnet diese Autobahnbrücke sei doch sehr abgelegen, sagte in der RTBF Eric Hautphenne, der Bürgermeister von Héron. Wir befinden uns dort auf der Grenze zwischen den Gemeinden Héron und Andenne. In unmittelbarer Nähe befinden sich nur zwei Wohnhäuser. Die Straße werde kaum genutzt, erst recht zu nächtlicher Stunde.
Fahndungserfolge
Besagte Wohnhäuser verfügten aber beide über Überwachungskameras, fügt der Bürgermeister hinzu. Es bestehe also die Möglichkeit, dass es Bilder von den mutmaßlichen Tätern gebe. Und er habe die Polizei darüber in Kenntnis gesetzt.
Am Vormittag konnten die Justizbehörden von Namur dann aber doch schon einen Fahndungserfolg bekannt geben: Fünf Verdächtige seien festgenommen worden. Zwei von ihnen seien minderjährig.
Laut Medienberichten soll einer der minderjährigen Verdächtigen bei der Polizei vorstellig geworden sein. Dabei habe er zugegeben, bei der Tat dabei gewesen zu sein. Und dieses Geständnis habe die Ermittler dann zu den anderen Verdächtigen geführt.
Die Justizbehörden haben bislang keine weiteren Einzelheiten bekannt gegeben.
Roger Pint