Die Übergangszeit ab der Auflösung des Parlaments ist immer ein Hybridzustand für die Regierungsparteien. Zum einen muss geschäftsführend weiterregiert werden. Zum anderen beginnt jetzt ein Monat heißester Wahlkampf. Die Koalitionspartner der Vivaldi werden sich also nichts schenken beim Kampf um die alles entscheidenden Wählerstimmen.
Aber zumindest im Interview mit der RTBF am Mittwochmorgen hat der Premierminister kein negatives Wort über seine Koalitionspartner verloren. Stattdessen hebt er das Erreichte hervor: Fast vier Jahre lang habe die Regierung angesichts der Krisen das getan, was getan werden musste, betont De Croo. Sie habe die Bevölkerung beschützt und notwendige Reformen durchgeführt. Sie übergebe der nächsten Regierung also ein durch und durch solides Land.
Belgien stärker trotz Krisen
Das belgische Wirtschaftswachstum sei doppelt so hoch wie der Durchschnitt der Eurozone. Noch nie hätten so viele Belgier gearbeitet wie jetzt und seine Regierung habe mehr Jobs geschaffen als jede andere Regierung der vergangenen Jahrzehnte.
In keinem anderen Land sei die Kaufkraft der Bürger so gut geschützt wie in Belgien, das Prekaritätsrisiko sei sogar gesunken, was bemerkenswert sei angesichts der Krisen. Belgien sei nicht nur als Land stärker geworden, auch die Bevölkerung sei wohlhabender als vor den Krisen der letzten Jahre. Sowohl die belgische Gesellschaft als auch die belgische Wirtschaft befänden sich also bei guter Gesundheit.
Sorge um Staatsschuld
Allerdings räumt der Premier ein, dass es ein großes und altbekanntes Sorgenkind gibt: Was die Staatsfinanzen angehe, habe Belgien definitiv Arbeit vor sich. Aber diese Herausforderung sei absolut bewältigbar, gibt sich De Croo betont zuversichtlich.
Er teile nicht den Pessimismus gewisser anderer Leute über Haushaltsdefizit und Staatsschuld. Belgien sei kein Einzelfall in der Europäischen Union, so der Premier sinngemäß, es gebe sieben oder acht Mitgliedsstaaten, die sich in einer schwierigeren Finanzlage befänden.
Natürlich sei Belgien in dieser Hinsicht aktuell nicht da, wo es sein sollte. Aber Belgien befinde sich auf einem Kurs, um das in fünf Jahren zu schaffen und einem Kurs, der wirtschaftlich Sinn mache. De Croo sieht die Lösung für eine stabilere Finanzlage nach wie vor vor allem im Arbeitsmarkt, genauer gesagt in einer weiteren Erhöhung des Beschäftigungsgrads.
Suche nach neuer Regierung
Es sei definitiv notwendig, weiter Jobs zu schaffen – aber das könne nur gelingen, wenn die verschiedenen Ebenen des Landes besser zusammenarbeiteten. Das gelte im Übrigen auch beispielsweise für eine bessere Prävention von Krankheiten, wodurch die Kostenzunahme für Gesundheit und Soziales gebremst werden könne, betont der Premier – und auch für andere Herausforderungen, denen sich Belgien gegenübersehe.
Was Belgien jetzt brauche, das sei ein neues Regierungsprogramm, das sich vor allem auf die sozioökonomischen Aspekte konzentriere – mit einer passenden neuen Koalition. Die Suche nach einer Regierung habe in der Vergangenheit aber viel zu lange gedauert, erinnert der Premier. Deswegen müsse alles getan werden, um eine Wiederholung der letzten Male zu verhindern.
Denn das Wichtigste sei eben, dass nach den Wahlen schnellstmöglich mit einem sozioökonomischen Programm begonnen werde, fordert De Croo.
Gouverneur der Nationalbank warnt vor Haushaltsdefizit und Gefahren für die Demokratie
Boris Schmidt