505-Konzerte nannte sich die Veranstaltung. Dies war eine deutliche Anspielung auf die 0110 Konzerte von 2006. Und tatsächlich wehte auch gestern ein Hauch von 2006 über den Konzerten, Darbietungen, Lesungen und Reden. Auch diesmal traten vor allem belgische Künstler auf, um sich für etwas einzusetzen: für mehr Menschlichkeit.
Was darunter zu verstehen ist, versuchte Mit-Organisatorin Els Hertogen von der Vereinigung für internationale Solidarität, 11.11.11, gegenüber der VRT zu erklären: "Es geht unter anderem um Gaza, wo das internationale Recht verletzt wird. Aber es geht auch um Dinge bei uns. Um Krippen, wo es einen Betreuer für acht Babys gibt. Oder die Altenpflege, wo Mitarbeiter angeben, keine Zeit mehr für einen Plausch mit den älteren Personen zu haben. Es geht auch um die aggressive Sprache in Sozialen Medien und in der politischen Debatte."
So verstandene Menschlichkeit ist ein weites Feld. Deshalb fielen die Botschaften der einzelnen Künstler dann auch tatsächlich unterschiedlich aus. Die Schriftstellerin Yousra Benfquih konnte offen von einem Völkermord in Gaza sprechen - das sei keine Meinung, sondern eine Tatsache. Ellen Schoenaerts sang ein Lied über Europa, Bert Ostyn einen Song über Sanda Dia, der bei einer Studententaufe in Löwen ums Leben gekommen war. Und der Brüsseler Rapper Zwangere Guy ließ sich zu dem nicht jugendfreien Ausruf hinreißen: "Fuck alle Faschisten, alle Rassisten, und Fuck Rechts."
In großem Kontrast dazu stand der Auftritt des 92-jährigen Holocaust-Überlebenden Simon Gronowski. Seine Botschaft an die jüngere Generation: "Vergesst es nie: Das Leben ist schön."
"Wir finden es wichtig, Menschen dazu aufzufordern, alles durch die Brille der Menschlichkeit zu betrachten", beschrieb Musiker Tijs Delbeke, ein weiterer Mitorganisator, das Ziel der Veranstaltung. "Menschlichkeit ist eine Grundlage für alles. Ein Mensch kann niemals mehr wert sein als ein anderer. Das ist das, was wir hier deutlich machen wollen."
Politische Symbole und Fahnen waren auf dem Gelände verboten. Auch die Politiker wie der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke konnten zwar im Publikum entdeckt werden, spielten bei der Veranstaltung aber keine Rolle. "Wir stellen keine besonderen politischen Forderungen. Wir wenden uns mit der Aktion nicht an eine bestimmte Partei", so Els Hertogen. "Wir erwarten vielmehr von jedem einzelnen Bürger, Unternehmer und Politiker, dass bei jeder Entscheidung, die im Zusammenleben mit anderen getroffen wird, dieses Basisprinzip der Menschlichkeit berücksichtigt wird. Das ist unsere Botschaft, und wir hoffen, dass alle politischen Parteien dies nach den Wahlen beherzigen werden.“
Mehr als 20.000 Besucher verfolgten über den Tag hinweg bei freiem Eintritt und bestem Wetter die Konzerte, Lesungen und Meinungsäußerungen. Ein voller Erfolg, wie die Veranstalter es nannten.
Kay Wagner