Zwei sichtlich zufriedene Belgier traten am Donnerstagabend vor die Presse im EU-Ratsgebäude in Brüssel, darunter Charles Michel, aktueller EU-Ratspräsident. Mit Blick auf die zurückliegenden Stunden sagte er: "Die Einheit der Europäischen Union ist heute Abend erneut eindrucksvoll bestätigt worden bei äußerst wichtigen Fragen".
Und auch im belgischen Presseraum zeigte sich Premierminister Alexander De Croo zufrieden über den Ausgang der Arbeitsrunden. Vor allem mit der Verabschiedung einer gemeinsamen Erklärung zum Konflikt im Gazastreifen. Denn, so begründete De Croo, "es war wirklich unser Ziel, einen soliden Text mit einer gemeinsamen und klaren Position zu formulieren. Ich finde, dass wir das geschafft haben".
Gaza-Krieg
In dem Text fordert die EU einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen, um der Zivilbevölkerung helfen zu können. Außerdem wird Israel in dem Text ausdrücklich dazu aufgefordert, die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens nicht anzugreifen. Und auch die aggressive Siedlungspolitik von Israel im Westjordanland wird kritisiert.
"Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass die Einigung auf diesen Text unerwartet ist", kommentierte De Croo dazu. "Aber wir haben sicher viel mehr erreicht, als Beobachter uns zugetraut haben. Aber wir werden erst dann glücklich sein können, wenn das menschliche Leiden aufhört."
Ukraine-Krieg
Die Unterstützung der Ukraine war ein weiterer Diskussionspunkt am Donnerstag auf dem Gipfel. Die EU will ihre Bemühungen verstärken, die Ukraine mit Waffen und Munition zu versorgen. Dafür will sie tatsächlich jetzt auch Gewinne aus russischen Geldern benutzen, die in EU-Staaten eingefroren sind.
De Croo nannte diese Entscheidung gut, Michel bezeichnete sie sogar als wichtig. Und er fügte hinzu: "Wir sind entschlossen, sehr schnell zu handeln, so dass wir einen Teil dieses Geldes dazu nutzen können, die Ukraine zu unterstützen. Auch mit militärischem Material".
Verteidigungs-Bonds
Neben der Militärhilfe für die Ukraine will die EU auch weiter die Idee verfolgen, militärisches Material für die eigene Verteidigung künftig gemeinsam zu kaufen. Zentrale Frage dabei ist: Woher das Geld dafür kommen soll. Frankreich und Spanien hatten gemeinsame Anleihen der EU-Staaten dafür ins Spiel gebracht, also gemeinsame Kredite.
Michel ging auf diesen Punkt nicht im Detail ein. De Croo gab sich eher skeptisch. Verteidigungs-Bonds seien sicher nicht die Lösung für alles, sagte er. "Aber zum Beispiel für Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Bereich Verteidigung würde das schon Sinn machen", fügte De Croo hinzu. Und begründete: "Wenn man Bonds beschließt, muss jemand dafür später zahlen. Wenn man Forschungsarbeit leistet, die sich später über Produkte auch außerhalb des Militärs vermarkten lässt, würden Bonds durchaus Sinn machen".
Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina
Das Thema der Finanzierung einer gemeinsamen Verteidigung der EU wird weiter diskutiert werden. Entscheidungen wurden am Donnerstag nicht getroffen. Dafür einigten sich die Gipfel-Teilnehmer noch darauf, mit Bosnien-Herzegowina Verhandlungen zum Beitritt in die EU aufzunehmen. Auch ein Beschluss, der so vor dem Gipfel nicht unbedingt zu erwarten gewesen war.
Kay Wagner