Dass Belgien schon seit vielen Jahren an allen Ecken und Ende sparen muss, ist eine allseits bekannte Tatsache. Genauso wie die chronische Unterbesetzung der Sicherheitskräfte, oft veraltete Infrastruktur oder fehlendes Material. Es war also alles andere als eine Überraschung, dass schon unmittelbar nach den tödlichen Schüssen vom Montag Vorwürfe laut wurden, dass der fatale Ausgang der Hausdurchsuchung in Lodelinsart bei Charleroi auf die schlechte personelle und materielle Ausstattung der Polizei zurückzuführen sei.
Ein Vorwurf, aus dem naturgemäß vor allem die Opposition Kapital zu schlagen versucht, schließlich wird ja bald auch wieder gewählt. Die Spezialeinheiten der Polizei hätten ein Budget von elf Millionen Euro nötig, um einsatzbereit zu sein, unterstrich etwa der N-VA-Abgeordnete Koen Metsu im Kammerausschuss für Inneres. Dieses Budget von elf Millionen Euro habe die Direktion für Sondereinheiten, die DSU, auch verlangt. Wie könne es also sein, dass das Budget für die Spezialeinheiten der Polizei wieder nur bei 7,7 Millionen Euro liege, so Metsu gegenüber Innenministerin Verlinden.
Spezialeinheiten weiter verstärken
Die aber wollte nichts wissen von einer möglichen Beeinträchtigung der Arbeit der Spezialeinheiten durch mangelndes Personal oder Material. Kein einziger Verantwortlicher schicke seine Leute in den Einsatz, wenn er nicht sicher sei, dass sie über alle notwendigen Fähigkeiten und Mittel verfügten, versicherte Verlinden. Jeder einzelne Einsatz der Spezialeinheiten werde minutiös vorbereitet unter Befolgung aller vorgesehenen Prozeduren. Allein im letzten Jahr seien 145 sogenannte "verstärkte" Hausdurchsuchungen wie in Lodelinsart durchgeführt worden. Und glücklicherweise habe es in den vergangenen 20 Jahren auch keine für die Polizei tödlichen Zwischenfälle gegeben vor Montag.
Die Innenministerin widersprach auch der Darstellung Metsus, dass einige lokale Einheiten der DSU nur über die Hälfte ihrer Sollstärke verfügten. Sie verwies zu ihrer Verteidigung auch auf die laufenden Anstrengungen, um die Spezialeinheiten personell zu verstärken: Aktuell werde mehr rekrutiert, als in einer Absprache von 2022 vereinbart worden sei. Es sei vorgesehen, auf diese Weise dieses Jahr noch 50 zusätzliche Mitglieder anzuwerben. Das werde den Personalbestand der Spezialeinheiten dann auf 92 Prozent der vorgesehenen Stärke bringen, versprach Verlinden.
Verlinden bekräftigt Vertrauen in die Polizeidienste
Sie wiederhole deshalb auch gerne und ausdrücklich, dass sie weiter vollstes Vertrauen habe, betonte Verlinden - in die Föderale Polizei, in die Föderale Gerichtspolizei, in die DSU und in alle Verantwortlichen.
In diesem Sinne stellt sich die Innenministerin also vor ihre Polizisten - mehr noch, Verlinden kritisierte ihrerseits scharf das Verhalten der Opposition. Für sie zeuge das von einem Mangel an Respekt und Anerkennung vor der Professionalität und der Sorgfältigkeit, mit der diese Eliteeinheit seit Jahren selbst unter gefährlichsten Umständen Einsätze durchführe, so Verlinden.
Über konkrete Details des Einsatzes in Lodelinsart konnte oder wollte die Innenministerin im Kammerausschuss keine Aussagen machen unter Verweis auf die noch laufenden Ermittlungen und das ebenfalls noch anstehende operationelle Debriefing der Polizei. Lediglich auf Fragen der Abgeordneten über eine mögliche Verbindung zwischen der Festnahme von drei Polizisten in Charleroi und der Schießerei ging Verlinden ein: Es gebe laut Prokurator aktuell keine Hinweise auf eine direkte Verbindung, unterstrich Verlinden, auch wenn einer der Festgenommenen in dem Dossier auftauche, das zu der Hausdurchsuchung geführt habe.
Am Donnerstagmittag werden alle Polizeidienste des Landes eine Schweigeminute abhalten. Das wurde bei einer Sitzung des Hohen Konzertierungsausschusses der Polizeidienste beschlossen. Auch Innenministerin Annelies Verlinden werde in den Räumlichkeiten der Föderalen Polizei in Brüssel an der Gedenkminute zu Ehren des getöteten Polizisten teilnehmen.
Boris Schmidt