"Zunächst zu Dries Van Langenhove, dem Initiator, Gründer, Organisator und Chef von Schild&Vrienden", begann der vorsitzende Richter am Dienstagmorgen seine Urteilsverkündung vor dem Genter Strafgericht. Tatsächlich drehte sich der ganze Prozess eigentlich nur um Dries Van Langenhove. Der 30-Jährige ist längst eine schillernde Gestalt in der rechtsextremen Szene. Bei der letzten Parlamentswahl schaffte er es sogar auf Anhieb in die Kammer, auf einer Liste des Vlaams Belang.
Einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden war Dries Van Langenhove vor fünfeinhalb Jahren. Im September 2018 hatte das VRT-Fernsehmagazin Pano der flämischen Jugendorganisation Schild&Vrienden eine Reportage gewidmet. Schild&Vrienden galt bis dahin als ein Verein von jungen Menschen, der sich - grob gesagt - dem Pfadfinder-Ideal verschrieben hatte. Zwar war nicht zu übersehen, dass Schild&Vrienden sehr weiß, sehr männlich und sehr nahe am rechten Rand unterwegs war - das Ganze blieb aber noch scheinbar innerhalb der Grenzen des Erlaubten.
In besagter Reportage riss Pano der Organisation aber regelrecht die Maske ab. Das Magazin konnte einen Blick hinter die Kulissen werfen und stieß dabei auf eine interne Chat-Gruppe. Da taten sich Abgründe auf: In dem Forum machten angebliche "Witze" die Runde, sogenannte Memes, die einen zutiefst rassistischen beziehungsweise sexistischen Charakter hatten. Häufig wurde auch der Holocaust relativiert, manchmal auch verhöhnt. Die Pano-Reportage sorgte seinerzeit für einen Sturm der Entrüstung. Menschenrechtsgruppen und auch jüdische Organisationen reichten Klage gegen Schild&Vrienden ein. Deren Gründer und Chef war eben Dries Van Langenhove.
Odyssee durch die Instanzen
Dann begann aber eine Odyssee durch die Instanzen. Die Verteidigung versuchte alles, um das Verfahren zu sabotieren. Als einmal klar wurde, dass der Fall doch vor einem Gericht landen würde, trat Van Langenhove von seinem Mandat als Kammerabgeordneter zurück - dem Vlaams Belang wurde der junge Mann wohl zu heiß.
Doch kaum hatte der Prozess endlich begonnen, gelang es der Verteidigung schon, das Verfahren erstmal wieder auf Eis zu legen: Man stellte einen Befangenheitsantrag gegen den zuständigen Richter, der aber auch schlussendlich abgelehnt wurde. Am Dienstag kam es dann doch zu dem, was die Anwälte die ganze Zeit lang hatten verhindern wollen: einer Urteilsverkündung.
Dabei ging der Richter dann gleich voll in die Vollen. Dries Van Langenhove habe die übrigen Angeklagten mit hineingezogen in seine rassistische, hasserfüllte, nationalsozialistische und negationistische Propaganda, mit der er Menschen gegen andere aufhetzen wolle. Er habe noch viele weitere Menschen dazu angespornt, ihm darin zu folgen:
Doch der Richter ist noch nicht fertig: Van Langenhove lehne offen die geltenden Normen und Grundrechte ab. Mehr noch: Er missbrauche diese Rechte und Freiheiten, um sie Anderen abzusprechen. Dieses kriminelle Verhalten sei eine Bedrohung für das friedliche Zusammenleben, in dem Platz für alle Menschen ist. Es schaffe zudem eine feindliche Atmosphäre innerhalb der Gesellschaft und schüre noch mehr Streit, Zwiespalt, Konflikte und Gewalt.
Also: Rassismus, Negationismus, Hassrede, Anstiftung zur Gewalt. Dann habe Van Langenhove zudem noch subversive Tendenzen an den Tag gelegt, habe er doch die Demokratie untergraben wollen, um sein Gesellschaftsmodell durchzusetzen, in dem die Weißen das Sagen haben. Das alles deute hin auf eine besonders gefährliche Gesinnung.
Bürgerliche Ehrenrechte entzogen
Die volle Breitseite also. Entsprechend das Urteil: ein Jahr Haft ohne Bewährung und insgesamt 16.000 Euro Geldbuße. Außerdem werden ihm für zehn Jahre die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen, kann er sich also nicht mehr zur Wahl stellen. Die übrigen Angeklagten wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Der Anwalt von Van Langenhove reagierte besonders giftig auf das Urteil. Das einzig Positive sei, dass der vorsitzende Richter bald in den Ruhestand trete, sagte Hans Rieder. "Wir werden auf jeden Fall Berufung einlegen", sagt der Anwalt. Rieder trug übrigens keine jüdische Kippa. Im Gegensatz zum letzten Prozesstag - da hatte er noch mit dieser Kopfbedeckung für Empörung gesorgt.
Menschenrechtsliga reagiert positiv
Menschenrechtsorganisationen haben positiv auf das Urteil reagiert. Insbesondere auch, dass neben Van Langenhove auch einige Anhänger zur Rechenschaft gezogen wurden. Schließlich könnten auch Mitläufer viel Schaden anrichten - alleine schon durch bestimmtes Verhalten am Computer. Hier müsse ein Signal gesetzt werden, sagt der Anwalt der Menschenrechtsliga, Johan Heymans.
Roger Pint