Schnell verbreitete sich in der Nacht zu Dienstag die Meldung: Schon wieder Schüsse in Brüssel. Wohl auch deshalb, weil alles gefilmt worden war. Ein Mann steht allein an einer Bushaltestelle im Brüsseler Stadtteil Forest. Es ist 20:30 Uhr, dunkel und ruhig in dem Wohngebiet. Ein Pkw hält vor der Bushaltestelle, zwei Männer steigen aus, zerren den wartenden Mann zum Auto, wollen ihn auf die Rückbank drücken. Doch da gibt es Schwierigkeiten. Der Mann wehrt sich. An der geöffneten Autotür kommt es zum Handgemenge.
Der Fahrer des Wagens steigt aus, will helfen. Das Gerangel geht weiter. Ein erster Schuss ist zu hören, wenige Sekunden danach ein zweiter. Ein Hilferuf des Mannes, der ins Auto gezerrt werden soll. Dann bricht der Film ab, den die VRT am Dienstagmittag in den Nachrichten von der Szene zeigt. Aufgenommen wurde er von einer Privatperson aus einer höher gelegenen Wohnung auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Bushaltestelle.
Die Angreifer ergreifen kurz darauf die Flucht - ohne den Mann, den sie augenscheinlich mitnehmen wollten. Der bleibt verletzt am Tatort liegen. "Die Rettungsdienste haben sich schnell um ihn gekümmert", berichtete am Dienstagvormittag die Bürgermeisterin von Forest, Mariam El Hamidine. Ein Krankenwagen sei zum Tatort gefahren und habe den Verwundeten ins Krankenhaus gebracht. Sein Leben sei nicht in Gefahr gewesen.
Schnell tauchen Vermutungen auf, dass es sich wieder um eine Abrechnung unter Drogenhändlern handeln könnte - so wie schon vergangene Woche, wo nicht weit vom aktuellen Tatort in benachbarten Brüsseler Stadtgemeinden Schüsse gefallen waren. Doch auf Bestätigungen für diese These warten Medien und die Öffentlichkeit zunächst vergeblich.
Die Polizei hält sich bedeckt, am frühen Nachmittag gibt es eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Sie bringt wenig neue Elemente. Nur so viel: Tatsächlich sei das Leben des Verwundeten nicht in Gefahr. Die Ermittlungen zu den Vorfällen seien aufgenommen worden. Auch das Auto, mit dem die Täter gefahren waren, sei wohl gefunden und sichergestellt worden. Ob es einen Zusammenhang mit den Schießereien von vergangener Woche gebe, müsse erst noch gründlicher untersucht werden.
Forests Bürgermeisterin El Hamidine gibt an, geschockt zu sein durch die ganze Gewalt der vergangenen Tage in den südlichen Stadtgebieten von Brüssel und kündigt an, das Thema Sicherheit in Forest auf die Tagesordnung des Gemeinderats zu setzen. "Gemeinsam werden wir bestimmte Dinge beschließen, die in unserem Stadtteil passieren sollen", verspricht die Bürgermeisterin. "Natürlich wird die Polizei präsent sein. Sie ist es ja jetzt schon. Aber sie wird noch stärker Präsenz zeigen im Viertel."
Kay Wagner