Der Schienennetzbetreiber Infrabel hat eine neue Notrufnummer eingeführt. Jeder, der in der Nähe von öffentlichen Bahnübergängen eine gefährliche Situation bemerkt, kann die 1711 anrufen und so vielleicht Leben retten.
Es gibt Gefahren, vor denen kann man anscheinend nicht oft genug warnen. In regelmäßigen Abständen führt Infrabel Sensibilisierungsaktionen durch, um die Menschen daran zu erinnern, dass man einen Bahnübergang bei Warnlicht beziehungsweise sich senkenden oder geschlossenen Schranken unter keinen Umständen betreten darf.
Elf vermeidbare Todesfälle
Aber genau das passiert leider immer noch. 31 Unfälle wurden im vergangenen Jahr an Bahnübergängen gezählt. Dabei verloren sechs Menschen ihr Leben. Diese tragische Liste wird noch länger, wenn man die Menschen hinzuzählt, die unerlaubt die Gleise betreten haben. Das ist insgesamt 632 Mal passiert. Fünf weitere Personen wurden dabei von einem fahrenden Zug erfasst. Insgesamt elf Todesfälle also, die schlichtweg zu vermeiden gewesen wären.
Solche Zwischenfälle, also das unerlaubte Betreten der Gleise oder eines geschlossenen Bahnübergangs, und im schlimmsten Fall dann auch ein Unglück, all das hat im vergangenen Jahr im Durchschnitt für zwölfeinhalb Stunden Verspätung pro Tag gesorgt, sagte Infrabel-Sprecher Frédéric Petit in der VRT. Das entspricht einer Verdopplung im Vergleich zu 2021.
Zugverspätungen verdoppelt
Auf den ersten Blick ist diese Entwicklung unerwartet. Denn eigentlich ist die Zahl der unerlaubten Gleisbetretungen und auch der Unfälle an Bahnübergängen sogar leicht zurückgegangen
Dass das unterm Strich für deutlich mehr Verspätungen gesorgt hat, das habe schlichtweg mit der Tageszeit zu tun: Ereignet sich der Vorfall mitten im morgendlichen oder abendlichen Berufsverkehr, und noch dazu auf einer vielbefahrenen Strecke, dann hat das natürlich gleich viel spürbarere Auswirkungen auf den Schienenverkehr.
Jeder Zwischenfall ist natürlich einer zu viel, vor allem die mit tragischem Ausgang. Da können manchmal Sekunden über Leben und Tod entscheiden. Und an eben diesem Zeitfenster will Infrabel arbeiten.
1711 überall sichtbar
Man habe eine neue Notrufnummer freigeschaltet, die es erlaubt, direkt mit der Leitstelle Kontakt aufzunehmen, sagte Infrabel-Direktor Benoît Gilson in der RTBF. Dort kann man sofort erkennen, an welchem Bahnübergang sich der Anrufer befindet und dann entsprechend den Zugverkehr unterbrechen. Im schlimmsten Fall kann der Mitarbeiter auch gleich Hilfe rufen.
1711, diese Nummer gilt es jetzt also zu behalten. Und, damit man im Notfall nicht noch großartig überlegen muss, wird diese Notrufnummer jetzt auch an allen Bahnübergängen sichtbar platziert.
Zwar hatten Bahnübergänge auch schon früher eine Kennnummer, die es erlaubte, gleich den Ort zu identifizieren, an dem Gefahr drohte. Durch das neue System gewinne man aber wertvolle Minuten.
Besagte 1711 ist aber nur für den absoluten Notfall, also wenn an einem Bahnübergang unmittelbare Gefahr droht, wenn sich zum Beispiel ein Fahrzeug auf den Gleisen festgefahren hat.
Bahnübergänge sollen verschwinden
Parallel dazu will man aber auch dafür sorgen, dass die Bahnübergänge sichtbarer werden. So werden jetzt nach und nach LED-Lampen an den Schranken angebracht.
"Wir haben festgestellt, dass das tatsächlich hilft", sagte Stef Willems vom Institut für Straßenverkehrssicherheit Vias. "Die Verkehrsteilnehmer nähern sich dem Bahnübergang um 40 Prozent langsamer. Auch die Zahl der Vollbremsungen geht stark zurück, wenn der Bahnübergang von weither sichtbar ist."
Infrabel ist zudem weiter damit beschäftigt, die Bahnübergänge schlichtweg verschwinden zu lassen. 450 von ihnen wurden in den letzten 20 Jahren durch Brücken oder Unterführungen ersetzt.
"Und jedes Jahr kommen bis zu zehn und 20 Bahnübergänge hinzu, die wir also schlicht und einfach entfernen", sagte Infrabelchef Benoît Gilson in der VRT. Denn: der sicherste Bahnübergang ist der, der nicht existiert.
Roger Pint