Es gibt natürlich "Großkampftage" in den Notaufnahmen - Jahreswechsel zum Beispiel, Karneval, Großveranstaltungen und so weiter. Aber auch wenn zu solchen Anlässen besonders viel Alkohol fließt und damit auch das Verletzungsrisiko und das Aggressionspotenzial steigen: Gewalt gegen Personal des Gesundheitssektors ist eigentlich längst zu einem Dauerproblem geworden. Das bestätigt auch der Chef der Notaufnahme des Allgemeinen Städtischen Krankenhauses von Aalst, Lieven Vergote.
Früher sei die Gewalt vor allem verbal gewesen, so Vergote in der VRT-Sendung "Terzake". Aber mittlerweile gehe es immer mehr um körperliche Gewalt, das sei besorgniserregend. Nach dem Personal ausholen, es an die Wand drücken oder am Hals packen, Faustschläge – auch er habe das schon am eigenen Leib erleben müssen.
"Manche Patienten kommen sogar bewaffnet", bestätigt Serge Verret, verantwortlich für Prävention und für den Sicherheitsdienst im Netzwerk der Antwerpener Krankenhäuser. Oft handele es sich um Taschenmesser oder Messer. Aber wenn Patienten wirklich ausrasteten, könne potenziell alles in Griffweite zu einer gefährlichen Waffe werden.
Vor Kurzem habe ein Patient mit einer abgebrochenen Flasche eine Pflegerin angegriffen. Als die Security dazwischen gegangen sei, habe der Patient zugestochen, glücklicherweise habe eine stichsichere Weste Schlimmeres verhindert.
Von privaten Sicherheitsdiensten, die leider mittlerweile an verschiedenen Krankenhäusern zum Alltag gehören, hört man deshalb auch den Wunsch nach Aufrüstung, etwa nach Pfefferspray oder auch nach Handschellen, um gewalttätige Patienten bis zum Eintreffen der Polizei zu fixieren und so eine weitere Eskalation der Situation zu verhindern.
Das sei aber nicht so einfach, erklärt der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke im Interview mit Radio Een. Privaten Sicherheitsdiensten solche Kompetenzen zu geben, sei keine Selbstverständlichkeit, denn das mache sie polizei-ähnlicher. Hinzu komme das Problem, dass dadurch ein möglicher Präzedenzfall für andere Bereiche geschaffen werde, in denen private Sicherheitsdienste eingesetzt würden.
Polizei als Anlaufstelle
Eine weitere Forderung aus dem Gesundheitssektor ist derweil auch die Einrichtung einer zentralen Meldestelle. Denn aktuell ist es schwierig, sich überhaupt ein umfassendes Bild der Lage zu machen. Krankenhäuser, Ärztekammer, Berufsverbände – sie alle erfassen Gewalt gegen ihre Mitglieder separat. So etwas wie ein zentrales Register gibt es also nicht, obwohl das nach Meinung von Experten hilfreich sein könnte.
Er halte es nicht wirklich für sinnvoll, in Brüssel eine neue Verwaltung einzurichten, wo Betroffene individuell Meldung über Angriffe erstatten könnten, sagt aber Vandenbroucke. Wenn Anzeige erstattet werden könne, und das ermutige er absolut und wann immer möglich, dann sei die Polizei die richtige Anlaufstelle für Opfer.
Er werde aber schnellstmöglich Krankenhäuser, Ärztevertreter und so weiter zu einer gemeinsamen Diskussion einladen, verspricht Vandenbroucke. Dann werde man sehen, wie man auf Basis der von ihnen erfassten Fälle Daten besser sammeln und erfassen könne. Das werde dabei helfen, das Problem zu beziffern und entsprechende politische Maßnahmen zu ergreifen.
Ganz grundsätzlich sei es aber natürlich so, dass Gewalt gegen Personal des Gesundheitssektors und auch anderer gesellschaftlich relevanter Bereich nie hinnehmbar sei, so Vandenbroucke. Deswegen sehe ein bereits beschlossenes Gesetz vor, das als erschwerende Umstände zu werten bei einem Gerichtsprozess. Und das neue Strafgesetzbuch, das in einigen Jahren kommen werde, sehe eine weitere Verschärfung der entsprechenden Strafen vor. Denn es gehe auch wirklich darum, hier ein deutliches Signal auszusenden an Gewalttäter.
Boris Schmidt