"Schneewittchen und die sieben Zwerge", das Märchen der Gebrüder Grimm, gehört wohl nicht zuletzt wegen des Disney-Films zu den bekanntesten Märchen der Welt. Der deutsche Heimatforscher Eckhard Sander glaubte aber, in dem Märchen einen wahren Kern erkannt zu haben.
Sander sei überzeugt gewesen, dass sich hinter der Figur Schneewittchen eigentlich die Grafentochter Margaretha von Waldeck verberge, die zwischen 1533 und 1554 gelebt habe, sagte der flämische Buchautor Kurt Deswert in der VRT.
Diese Margaretha von Waldeck war anscheinend für ihre außerordentliche Schönheit bekannt. Und sie erlitt auch dasselbe Schicksal wie Schneewittchen im Märchen. Auch eine ZDF-Doku aus dem Jahr 2005 hat bereits die Parallele zwischen der Märchenfigur und der historischen Grafentochter hergestellt.
Margaretha von Waldeck wurde wahrscheinlich vergiftet. Und der wahrscheinliche Grund ist wohl, dass sie sich mit dem falschen Mann eingelassen hatte. "Wir wissen, dass der spätere Philipp der Zweite, also der Sohn und Thronfolger von Karl dem Fünften, der schönen jungen Frau Geschenke zugesandt hat", sagte in der RTBF Roel Jacobs, Historiker und Spezialist für Brüsseler Geschichte. "Und jeder weiß: Ein Frauenzimmer, das den Habsburgern zu nah kam, das lebte gefährlich", so Jacobs.
Gefährlich war die Nähe zwischen beiden vor allem, weil Margaretha von Waldeck Protestantin war, Philipp der Zweite dagegen Katholik - sogar ein glühender Katholik, schließlich verbindet man seinen Namen mit der Spanischen Inquisition. Eine mögliche Liaison zwischen ihm und Margaretha wäre also in der damaligen Zeit völlig unmöglich gewesen. Vielleicht musste die 21-jährige Frau deswegen sterben.
Das ist nicht die einzige Parallele zwischen der Gräfin und der Märchenfigur. So war auch Margaretha von Waldeck von ihrem Vater und ihrer Stiefmutter fortgeschickt worden, wodurch es sie letztlich nach Brüssel verschlug. Und Fakt ist, dass sogar schon die Gebrüder Grimm darauf hinweisen, dass sie sich orientieren an einer mündlichen Überlieferung, die eben in Hessen kursierte.
Auch für die Zwerge könnte es eine Erklärung geben. Die Grafen von Waldeck betrieben einige Erz-Bergwerke. Weil die unterirdischen Gänge oft sehr eng waren, setzte man häufig Kinder in den Minen ein. Die trugen damals keine Helme, sondern spitze Mützen, sagt auch Historiker Roel Jacobs - "da haben wir also unsere Zwerge."
Margaretha von Waldeck muss eines langsamen Todes gestorben sein. In Briefen an ihren Vater klagt sie mehrmals über Krankheitssymptome. 1554 stirbt sie dann in einem Franziskanerkloster in Brüssel. Begraben wird sie je nach Quelle im Kloster selbst oder in der Abteikirche.
Und dort, wo im 16. Jahrhundert noch das Franziskaner-Kloster stand, befindet sich heute die Brüsseler Börse. In der Vergangenheit und bis heute haben Archäologen dort nach Spuren aus der Vergangenheit gesucht. Dabei wurden auch schon häufiger sterbliche Überreste aus längst vergangenen Zeiten gefunden.
Ob Margaretha von Waldeck darunter war, ist schwer zu sagen, sagt Roel Jacobs. "Aber wenn da irgendwann mal ein Frauenskelett gefunden wird, an dem Spuren von Vergiftung festgestellt werden - nun, dann kann man wohl tatsächlich fast behaupten, dass wir Schneewittchen gefunden haben. In Anführungszeichen, versteht sich."
Roger Pint
Ein schöner gelungener Artikel mit Podcast. Danke dafür.
Ergänzend möchte ich nur anfügen, dass nach neueren Erkenntnissen vermutlich die Gräfin Margaretha von Waldeck in Wildungen bestattet wurde. Ein Hinweis dazu fand ich bei Klettenberg: Waldeckischer Helden- und Regenten-Saal 1738: Zitat: "... Margaretham, Anastasiam et posthumam sepulta in Wildungen"