Eine "unbeabsichtigte" Steuererhöhung, was es nicht alles gibt. Genau davor hatte die Presse vor rund drei Wochen tatsächlich gewarnt. "Verbrenner-Firmenwagen werden spürbar teurer" hatte es damals geheißen. Das sind natürlich Schlagzeilen, auf die eine Regierung ein halbes Jahr vor den Wahlen durchaus verzichten kann.
Was war passiert? Es ist so, dass Firmenwagen von der Regierung zwar direkt beziehungsweise indirekt bezuschusst werden, dass da aber doch auch eine Steuer für die Nutzer anfällt. Berechnet wird die auf der Grundlage des geldwerten Vorteils, im belgischen Steuerrecht bekannt unter dem Begriff "Vorteil aller Art". Dieser Betrag wird anhand einer komplexen Formel berechnet, die bei einer Reform des Systems vor knapp drei Jahren neu ausgerichtet wurde. Demnach sind zwei Faktoren ausschlaggebend. Erstmal der CO2-Ausstoß des Fahrzeugs an sich. Dann aber auch der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoß von in Belgien verkauften Neuwagen: Je tiefer der liegt, desto höher wird der geldwerte Vorteil von Firmenwagen veranschlagt, die ausschließlich mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet sind. Das heißt also konkret: Je sauberer der belgische Fahrzeugpark wird, desto teurer werden Verbrenner-Firmenwagen für die Nutzer. Auf diese Weise wollte die Regierung den Übergang von der fossilen hin zur Elektromobilität fördern.
Elektrowende
Diese Reform hat sich als ein unglaublicher Erfolg erwiesen, sagte der föderale Finanzminister Vincent Van Peteghem in der VRT. "Hier ist wirklich die Elektrowende in vollem Gange". Ein "unglaublicher Erfolg", der aber offensichtlich in seinem Ausmaß die Regierung überrascht hat. Unerwartet viele Unternehmen haben ihren Mitarbeitern nämlich E-Fahrzeuge zur Verfügung gestellt. Was dann eben dazu geführt hat, dass der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoß überraschend schnell gesunken ist - mit eben der Folge, dass die Steuer auf Firmenwagen mit Verbrennungsmotor in diesem Jahr eigentlich schon spürbar ansteigen sollte.
Für die Regierung wäre das natürlich ein denkbar unglückliches Timing gewesen, was man also vermeiden wollte. Das sei aber kein reines Steuergeschenk, betonte Van Peteghem. Im Grunde hätte es sich hier nämlich um eine "künstliche" Steuererhöhung gehandelt. Zwei Faktoren spielen hier eine Rolle. Eben die überraschend schnell verlaufende Elektrowende, dann aber auch eine veraltete Berechnungsgrundlage bei der Erhebung des CO2-Ausstoßes. Bislang sei es nämlich so, dass die Emissionen bislang auf der Grundlage des NEDC-Standards ermittelt wurden, aussagekräftiger sei aber das neue WLTP-System. Die Korrektur, die Van Peteghem vornehmen wollte, beschränkt sich im Wesentlichen eben auf den Übergang zu diesem neuen Emissionsstandard.
Gerechtigkeit
Hier gehe es nicht um irgendwelche Zugeständnisse, um den Wählern zu gefallen, sondern schlichtweg auch um Gerechtigkeit. Denn viele hätten noch gar nicht die Möglichkeit gehabt, auf ein Elektrofahrzeug umzusteigen. Wenn man diesen Menschen jetzt eine Steuererhöhung aufs Auge gedrückt hätte, dann wäre das schlichtweg nicht in Ordnung gewesen. Wenn man den Übergang hin zu einer klimafreundlichen Gesellschaft hinbekommen will, dann müsse man vor allem eins vermeiden: Frust. Damit die Transition erfolgreich ist, müsse man die Menschen vielmehr "mitnehmen".
Diese Korrektur werde kein Loch in die Staatskasse reißen. Schlicht und einfach, weil diese "unbeabsichtigte Steuererhöhung" gar nicht im Haushalt verbucht war. Man gebe nur zurück, womit man ohnehin nicht gerechnet habe. Dass das etwas länger gedauert hat, hatte auch damit zu tun, dass andere Parteien offensichtlich einen politischen Preis für die Korrektur verlangt haben; wie das in Koalitionen so üblich ist. Demnach soll jetzt unter anderem auch der Steuervorteil erhöht werden, den Menschen bekommen, die mit dem Rad zur Arbeit fahren. Außerdem wird der Staat einen Teil der Kosten gewisser Zug-Abos übernehmen.
Denn, klar: Die Firmenwagen-Politik an sich ist einigen Parteien nach wie vor ein Dorn im Auge. "Natürlich kann man darüber grundsätzlich diskutieren", räumt auch Van Peteghem ein. Nur sei das nicht der Moment gewesen. Diese Debatte wäre doch vielmehr wie geschaffen als Wahlkampfthema.
Roger Pint