Gedränge, ständige Selfies, Touristengruppen und Stadtführer, Sprachfetzen aus aller Herren Länder in jeder Lautstärke – das ist die Rue de l'Etuve oder auf Flämisch Stoofstraat im Zentrum von Brüssel. Sie gehört wohl zu den meistbesuchten Straßen des Landes, denn sie führt von der Grand Place zum Manneken Pis. Es ist also nicht unbedingt die Art von Ort, die man mit einem würdigen Gedenken an die Opfer des Holocausts in Verbindung bringen würde.
Aber dennoch liegt hier nun ein Stolperstein für Suzanne Kaminski, zwischen Waffel- und Pralinengeschäften direkt vor einem Souvenirladen – denn hier hat Suzanne Kaminski gelebt, bevor die Nazis sie geholt haben. Es handelte sich dabei um die jüngste Deportierte aus der Kaserne Dossin in Mechelen, wie Meyer Zalc erinnert, der Vorsitzende der Vereinigung für die Erinnerung an die Shoah (Association pour la Mémoire de la Shoah, AMS).
Gerade mal 39 Tage ist Suzanne alt, als sie aus Mechelen in einen Zug in Richtung Auschwitz verladen wird. Drei Tage später wird sie dort ermordet – sie ist sechs Wochen alt, und alles andere als ein Einzelfall. Rund anderthalb Millionen jüdische Kinder sind nach Schätzungen im Holocaust ums Leben gekommen – sei es durch direkte Ermordung oder indirekt infolge der Rassenpolitik des Dritten Reichs. Kinder, die ihren Eltern entrissen und unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt wurden, die für grausame medizinische Experimente missbraucht und schließlich ermordet wurden.
Suzanne steht stellvertretend für all diese Opfer des Nationalsozialismus. Für den deutschen Botschafter Martin Kotthaus, der die Patenschaft für ihren Stolperstein übernommen hat, repräsentiert Suzanne die absolute Unschuld. Dennoch habe Suzanne außer der Liebe ihrer Angehörigen während ihrer kurzen Zeit auf dieser Welt wohl nur Angst erlebt, Eingesperrtsein und Grauen.
Aber trotz seiner Monstrosität besteht die Gefahr, dass der Holocaust einfach nur zu einem weiteren Kapitel in den Geschichtsbüchern wird. Auch weil es immer weniger Überlebende und damit Augenzeugen gibt. Umso wichtiger werden andere Initiativen, unterstreicht der Botschafter – zum Beispiel Projekte in Schulen oder Museen oder auch die Erhaltung der Tatorte des Vernichtungswahns der Nazis und ihrer Helfer. Aber eben auch explizit das immer weiter wachsende, Europa durchziehende Netz der Stolpersteine.
"All diese Elemente werden wichtig sein, um die Erinnerung an die Shoah zu behalten und um sicherzustellen, dass sich das nie, nie wieder in welcher Form auch immer wiederholt." Eine Botschaft, die auch Meyer Zalc den Menschen ans Herz legt. Denn es gehe auch darum, sich für Toleranz und den Respekt vor den Menschenrechten einzusetzen.
Boris Schmidt
Wie gross und menschenverachtend muss der Hass für eine solche Tat sein...
Leider bewegen wir uns weltweit wieder in eine Richtung immer brutaler werdender Gewalt, individuell und auch durch Staaten