"Genug ist genug": Viele Bauern haben die Nase voll. Manchmal ist es eine konkrete Entscheidung der Regierung, die eine Protestwelle lostritt. Das hat man zum Beispiel in Deutschland beobachten können, wo den Bauern der Kragen geplatzt ist, weil die Bundesregierung die Bezuschussung von Agrardiesel beschneiden wollte. In Osteuropa ist es dann wieder der Ärger über die Getreideimporte aus der Ukraine.
Im Grunde sind das aber immer nur die berühmten Tropfen, die das Fass zum Überlaufen bringen. Und am Ende braucht es gar keinen konkreten Anlass mehr, da sorgen allein die Proteste in den Nachbarländern dafür, dass sich der Frust auch hierzulande Bahn bricht. Das gilt zumindest für die Landwirte in der Wallonie.
"Wir haben doch letztlich alle die gleichen Probleme", sagte in der RTBF Marianne Streel, Vorsitzende des Bauernverbandes FWA. Alle Landwirte klagen über geringe Gewinnmargen beim Verkauf ihrer Erzeugnisse, aber auch über bürokratischen Aufwand und die schiere Menge an Normen und Auflagen, die es zu erfüllen gilt. Und von denen kommen ja jeden Tag neue hinzu, sagt Marianne Streel. "Und damit das klar ist: Wir stellen die umwelt- oder klimapolitischen Herausforderungen nicht infrage. Wir fordern nur, dass die entsprechenden Maßnahmen effizient, realistisch und agronomisch fundiert sind."
Borsus zeigt Verständnis
Der wallonische Landwirtschaftsminister Willy Borsus hat Verständnis für die Sorgen und Nöte der Bauern. Für sie komme im Moment doch zu viel auf einmal. Erstmal die zum Teil doch sehr niedrigen Einkommen, aber auch die Maßnahmen zum Schutz der Umwelt oder des Klimas, von denen man sich fragen kann, ob sie nicht übers Knie gebrochen wurden, dass sie vielleicht zu wenig auf die gelebte Realität abgestimmt sind. Und das könne dann für einige den endgültigen Gnadenstoß bedeuten.
Hinzu komme, dass man den Landwirten viel zu selten den Eindruck gebe, dass man die bisher geleisteten Anstrengungen überhaupt zur Kenntnis nehme, geschweige denn zu würdigen wisse. Stattdessen könne sich die neue EU-Agrarpolitik fast anfühlen wie ein Strafenkatalog, sagt Borsus. Viele Auflagen sind eben mit Sanktionen verbunden, falls sie nicht fristgerecht erfüllt werden. Das sei aber der falsche Weg, sagt Borsus, so gewinnt man den Sektor nicht für sich.
Filterblockaden geplant
Der Frust hat sich jedenfalls gewaltig angestaut. Die Landwirte fühlen sich im Stich gelassen. Und das wollen sie jetzt lautstark zum Ausdruck bringen. "Das Land plattlegen, das wollen wir eigentlich nicht", sagt Marianne Streel von der FWA.
"Uns schweben eher Filterblockaden vor, um mit den Menschen in Dialog treten, um sie auf unsere Anliegen aufmerksam machen zu können. Denn die Bürger sind eigentlich unsere besten Anwälte." Nur kann man offensichtlich nicht garantieren, dass sich alle auch daran halten werden. "Einige unserer Mitglieder würden am liebsten gleich Vollgas geben und tatsächlich das ganze Land lahmlegen, möglichst gleich für mehrere Tage."
"Andere wiederum sind vollends verzweifelt und würden am liebsten die Flinte ins Korn werfen." Das ist offenbar das Grundgefühl bei den flämischen Kollegen: Sie glauben nicht mehr, dass Proteste auch nur irgendwas bewirken können. Die Landwirte im Norden des Landes waren ja vor einigen Monaten noch gegen das Stickstoff-Dekret der flämischen Regierung auf die Barrikaden gegangen. "Und wenn man ehrlich ist", sagen viele von ihnen: "Genutzt hat das wenig."
rtbf/sh
Nicht nur Frankreich und Deutschland - und längst nicht mehr nur Bauern.
In Litauen, Rumänien, den Niederlanden... Und es schließt sich zunehmend der Mittelstand an. Handwerker, Landwirtschaftszulieferer, Bauwesen, Speditionen.
Die EU hat anscheinend gedacht, machen wir mal ne runde Tisch, sie ruft eine Strategiekommision ins Leben...
Aber, warum reden da immer Menschen ueber Fachleute, von deren Arbeit sie keinerlei Ahnung haben?
Warum redet man nie mit Landwirten und Mittelstand?