Es ist der 9. Mai 2017 in Brüssel. Einer Polizeistreife fällt in der Gegend des belebten Flagey-Platzes ein Motorradfahrer durch - nach Aussagen der Beamten - rücksichtsloses und zu schnelles Fahrverhalten auf. Der Mann, der 24-jährige Ouassim, ist nicht allein unterwegs, mit ihm sitzt eine junge Frau auf der Maschine, die 20-jährige Sabrina. Die Beamten geben an, Ouassim zum Anhalten aufgefordert zu haben, aber Ouassim will sich offenbar nicht kontrollieren lassen. Stattdessen gibt er Gas, der Streifenwagen heftet sich dem Paar an die Fersen.
Bei der anschließenden wilden Verfolgungsjagd durch die oft dicht befahrene Avenue Louise sollen Geschwindigkeiten von bis zu 140 Kilometern pro Stunde erreicht worden sein, mitten in der Stadt wohlgemerkt. Aber die Flucht dauert insgesamt nur rund zweieinhalb Minuten, das Motorrad stößt mit geschätzt 90 Kilometern pro Stunde am Ausgang eines Tunnels mit einem weiteren Polizeifahrzeug zusammen. Der Fahrer dieses Streifenwagens hatte über Funk von der Verfolgungsjagd gehört und beschlossen, seinen Kollegen zu Hilfe zu eilen. Der heftige Zusammenstoß tötet Ouassim auf der Stelle. Sabrina erliegt noch in der gleichen Nacht im Krankenhaus ihren Verletzungen.
Verurteilung teilweise zu Gefängnisstrafen
Nach einem langwierigen und stellenweise kontroversen Prozess werden die drei beteiligten Polizeibeamten schließlich in der vergangenen Woche vom Brüsseler Polizeigericht verurteilt. Sie werden der fahrlässigen Tötung durch mangelnde Voraussicht schuldig gesprochen.
Die Strafen betragen zwischen fünf und zehn Monaten Gefängnis, teilweise zur Bewährung ausgesetzt. Nach Ansicht des Gerichts war die Verfolgungsjagd nicht verhältnismäßig. Außerdem seien nicht nur die Personen auf dem Motorrad unnötig in Gefahr gebracht worden, sondern auch unbeteiligte Passanten.
Protest vorm Justizpalast in Brüssel
Es ist ein Urteil, das bei den Angehörigen von Ouassim und Sabrina zwar für Genugtuung sorgt, aber die Kollegen der Polizisten empört. Einige hundert von ihnen fanden sich deshalb am Montagmorgen vor dem Brüsseler Justizpalast am Poelaert-Platz ein, inklusive Sirenen, Blaulicht und blauen Rauchbomben.
Man wolle Unterstützung demonstrieren für die verurteilten Kollegen, erklärt Anthony Turra von der christlichen Gewerkschaft gegenüber der RTBF. Aber man wolle der Justiz auch zeigen, dass der Job eines Polizisten alles andere als einfach sei.
Polizisten hätten nur Sekunden, um das Für und Wider einer Verfolgungsjagd abzuwägen. Und niemand könne beim Beginn einer Verfolgung absehen, dass diese vielleicht tödlich enden könne.
Urteil mit Signalwirkung für Polizisten
Die Vertreter der Polizeigewerkschaften betonen zwar, dass sie das Urteil der Justiz respektieren. Aber sie warnen auch vor der potenziellen Signalwirkung: Polizisten müssten damit rechnen, selbst Jahre später für Verfolgungsjagden mit ungünstigem Ausgang verurteilt zu werden. Das könne dazu führen, dass Polizisten in Zukunft sehr genau überlegen könnten, in Gefahrensituationen einzugreifen - oder eben nicht, so der sinngemäße Tenor.
Rechtsunsicherheit beklagen die Polizisten aber auch allgemeiner: Es gebe eigentlich keine Gesetzgebung, die Verfolgungsjagden wirklich regle, so Marc-Margy Durant von der SNPS, der Nationalen Gewerkschaft des Polizei- und Sicherheitspersonals. Hinzu komme, dass nicht alle Beamten während ihrer Ausbildung in Verfolgungsjagden geschult würden. Die Verantwortlichen müssten also die Art und Weise der Ausbildungen überdenken und dafür sorgen, dass Beamte besser auf entsprechende Situationen vorbereitet würden.
Streikankündigung der Brüsseler Polizei
Aus Protest haben die liberale Gewerkschaft und die SNPS für den Jahreswechsel eine Streikankündigung für die Polizeizone Brüssel-Ixelles hinterlegt, die Polizeizone der verurteilten Beamten.
Boris Schmidt
Verbrechern wird die Arbeit immer leichter gemacht.
Der Vlaams Belang reibt sich in die Haende. Dieses Urteil bringt Waehlerstimmen.
Also wird man in Zukunft mehr Menschen haben, die nicht anhalten wenn die Polizei dazu auffordert, es ist traurig wenn junge Leute dabei sterben.
Das Urteil lässt mich nur noch mit dem Kopf schütteln....irgendwann hilft die Polizei nicht mehr, da sie evtl dafür vor Gericht landen....
Warum nicht mit Drohnen verfolgen?
Da fehlt das Geld 💰 wahrscheinlich.
Die Polizei will als Freund und Helfer eintreten, befindet sich bei einer Verfolgung jedoch in einer Grauzone wo sie abwägen müssen .
In meinen Augen sind es die Jügeren Beamten die sich noch beweisen müssen und um Anerkennung buhlen.
Und für mich weniger Gnade vor Recht ergehen lassen.
Da könnt solch ein Urteil angebracht sein,
um den Ubereifer zu reduzieren.
Habe Schwierigkeiten das Urteil zu verstehen. Ich dachte immer, dass der Lenker eines Fahrzeugs verpflichtet sei, die Höchstgeschwindigkeit einzuhalten und ggf. noch an die Verkehrsbedingungen anzupassen (weiter abzusenken).
Wer also auf dichtbefahrenen Straßen mit einem Vielfachen der Höchstgeschwindigkeit fährt und einen Unfall verursacht, trüge somit für die vernünftigerweise abzusehenden Folgen die volle Verantwortung.
Damit ist aus meiner Sicht der junge, hitzköpfige Ouassim für seinen eigenen und den sehr bedauernswerten Tod der jungen Sabrina alleinverantwortlich.
Dass jetzt die kontrollierenden Beamten verurteilt werden, sendet das falsche Signal aus. Der Staat beugt sich dem Chaos.
Und nein, Herr Der Meuyter. Das Urteil kann nicht als Korrektiv für den manchmal zu beobachtenden Übereifer jünger Beamten angesehen werden: da fehlt jede Verhältnismäßigkeit!