"Das ist schon ziemlich beispiellos. Anscheinend erreichen die Pegelstände absolute Rekordwerte". Carl Decaluwé, der Gouverneur der Provinz Westflandern, muss wieder in die Rolle des Krisenmanagers schlüpfen. Denn im Süden seiner Provinz gilt vielerorts "Land unter". Insbesondere entlang der IJzer steht das Wasser buchstäblich "bis Oberkante Unterlippe", wie man so schön sagt. Viele Deiche halten so gerade noch stand. Nur ein paar Zentimeter mehr und das Wasser strömt über die Deichkrone. Alles hängt also am sprichwörtlichen seidenen Faden.
Banges Abwarten
In einer solchen Situation kann man eigentlich nur noch eins: abwarten. "Wir haben getan, was wir konnten", sagt Decaluwé: "Alle technischen Hilfsmittel sind da, wo sie sein müssen. Die Kapazität der Pumpen ist gigantisch. Aber wenn es weiter regnet, und noch mehr Wasser kommt, naja, dann haben wir ein Problem".
Aber auch auf den Katastrophenfall ist man natürlich eingestellt. "Die Evakuierungs-Pläne liegen auf dem Tisch", sagt Provinzgouverneur Decaluwé. "Wir kennen die kritischen Punkte. Jetzt hängt alles nur noch davon ab, wieviel Regen wir abbekommen werden."
Einzelne Zonen mussten bereits evakuiert werden, aber im Großen und Ganzen hält sich der Schaden noch einigermaßen in Grenzen. Am Vormittag sind die Provinzverantwortlichen zusammen mit den örtlichen Bürgermeistern in Diksmuide zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Dabei wurden insbesondere die Evakuierungspläne nochmal verfeinert. Ganz wichtig sei zum Beispiel, dass jeder Bürgermeister im Ernstfall auch wirklich ganz genau wisse, wohin die Betroffenen gebracht werden können.
Pegelstände in ganz Flandern hoch
Der Westhoek ist aber nur die Spitze des Eisbergs. "Überall in Flandern sind die Pegelstände noch sehr hoch", sagte in der VRT Katrien Smet vom flämischen Umweltministerium. "An einigen Orten sind Flussläufe auch schon über die Ufer getreten. Passiert ist das aber meistens an Orten, wo das Wasser wenig Schaden anrichten kann; also da sind im Wesentlichen Wiesen und Ackerflächen überflutet. Einzige Ausnahme ist eben der Westhoek".
Wobei sich die Lage in Ostflandern auch zwischenzeitlich zuzuspitzen begann. Am Abend wurde der Katastrophen-Plan für die Provinz ausgelöst, was also bedeutet, dass die Provinz federführend die Koordinierung der Vorbeugemaßnahmen übernimmt.
"Wir haben also alle zuständigen Stellen angewiesen, alle nötigen Maßnahmen einzuleiten, um bestmöglich auf den Krisenfall vorbereitet zu sein", sagte die ostflämische Provinzgouverneurin Carina Van Cauter in der VRT. In der Praxis heißt das, dass man sich wirklich ganz konkret auf Hochwasser einstellt, dass Pumpen vorbereitet werden, dass man Deiche errichtet, wo sie sich als nützlich erweisen können und dass für den Ernstfall auch schon Sandsäcke vorbereitet werden, um dafür zu sorgen, dass das Wasser nicht in die Häuser eindringen kann.
Man sieht es: Eine ganze Region hält den Atem an. Das Königliche Meteorologische Institut hat für Donnerstag seine Regenprognosen etwas nach unten korrigieren können. Nur werden insbesondere im Westen des Landes in den nächsten Stunden immer noch zehn bis 15 Liter Wasser pro Quadratmeter erwartet. Das kann stellenweise tatsächlich schon reichen, um ernste Probleme zu verursachen.
Das Problem beschränkt sich im Augenblick im Wesentlichen auf den Westen Flanderns, in der Wallonie ist die Lage noch weitgehend stabil. Nur im äußersten Süden der Provinzen Luxemburg und Namür wurde inzwischen entlang der Semois die "Vorwarnstufe" ausgelöst.
Roger Pint