Gleich mehrere Male beteuerte Céline Tellier ihre Unschuld. Direkt zu Beginn ihrer einstündigen Antwort auf die Fragen der Abgeordneten im Umweltausschuss sagte sie "Wenn ich über ein Gesundheitsrisiko für die Menschen informiert worden wäre, hätte ich verlangt, dass alternative Lösungen gefunden werden, bis das Problem gelöst worden wäre."
Aber sie habe eben keine Informationen erhalten. Keine Informationen über zu hohe PFAS-Werte im Trinkwasser der Gemeinde Chièvres. Dort, wo auf einer Basis des US-Militärs 2018 bereits alarmierende PFAS-Werte im Trinkwasser gemessen wurden und das auch an die Region weitergeleitet worden war.
Damals war Tellier noch nicht Ministerin. Aber der Verwaltungsmitarbeiter, der damals die Informationen des US-Militärs bekam, wurde Mitglied im Kabinett von Tellier. Diesen Posten ist er seit einigen Tagen wieder los, seitdem der Skandal um das verseuchte Trinkwasser von der RTBF aufgedeckt wurde.
Auch andere haben von dem Problem gewusst - nur nicht sie
Laut RTBF-Recherchen habe auch bei Weitem nicht nur besagter Mitarbeiter von dem Problem gewusst. Doch zu Tellier soll das ihrer Aussage nach alles nicht vorgedrungen sein. "Zu keinem Moment, und ich blicke Ihnen bei diesen Worten in die Augen, zu keinem Moment habe ich Informationen erhalten über eine direkte Gefahr für die Gesundheit."
Tellier rechtfertigte sich ziemlich ausführlich mit wissenschaftlichen Begründungen. Man wisse noch zu wenig über PFAS. Welche Mengen wirklich schädlich seien. Man befinde sich da noch in einer Grauzone. "Auf die Frage, ob ich über diese Werte informiert worden bin und ob ich ganz bewusst die Entscheidung getroffen habe, die Menschen und die Gemeinden nicht zu informieren, gibt es eine klare Antwort. Nämlich: Nein. Ich hänge nicht an der Macht, ich habe es nie getan. Und werde es auch nie tun."
Reaktion der Opposition
Das hörte sich verantwortungsvoll an. Doch die Opposition ließ das nicht gelten. Genauso wenig wie die Behauptung der Ministerin, sie habe von keiner Gefahr gewusst. "Ich habe sehr wohl Ihr Plädoyer gehört: Wenn ich gewarnt worden wäre! Wenn ich gewarnt worden wäre, dann hätte ich Maßnahmen ergriffen. Aber Sie sind mehrmals gewarnt worden und auch ihr Kabinett", sagte François Desquesnes von Les Engagés. Mit Blick auf die Versetzung des Kabinettmitarbeiters fügte er hinzu: "Sie können sich nicht mit einem Bauernopfer aus der Affäre ziehen. Es ist Ihre Verantwortung als Ministerin, die Gesundheit der Bürger zu gewährleisten. Qualitativ gutes Wasser zur Verfügung zu stellen, gut zu informieren. Und ich stelle fest, dass das nicht der Fall war."
Selbst aus den Reihen der eigenen Regierungspartner kam Kritik. MR-Politiker Olivier Maroy polterte besonders laut gegen Tellier, fast schon so, als ob die MR mit in der Opposition sei.
Dass die Angelegenheit mit der Anhörung von Dienstag nicht zu Ende sein dürfe, forderte ganz ausdrücklich der PTB-Abgeordnete Jori Dupont. "Wir möchten auch noch andere Antworten hören. Wir möchten auch noch Frau Ministerin Morreale hören, oder auch die Antworten des Beamten, der entlassen worden ist. Wir möchten die Wassergesellschaft anhören, die Umweltbehörde und warum nicht auch die Amerikaner."
Kay Wagner