Das RTBF-Magazin "Investigations" hat da einen waschechten Scoop ausgegraben: Alles beginnt in einer Quellfassung auf dem Gebiet der Gemeinde Chièvres, nordwestlich von Mons. Diese Quelle war, wie sich herausstellen sollte, mit PFAS kontaminiert. Ursprung der Verunreinigung soll die US-Airbase von Chièvres gewesen sein.
Wegen ihrer vor allem fett- oder wasserabweisenden Eigenschaften werden PFAS häufig in der Textilindustrie, aber auch in Lösch- oder Schmiermitteln eingesetzt. Nur haben diese Substanzen einen großen Nachteil: Sie bauen sich nicht – oder nur sehr langsam – im menschlichen Körper ab. Deswegen nennt man sie auch Ewigkeits-Chemikalien. Und einige dieser PFAS sollen dann auch noch krebserregend sein. Und eben damit war also besagte Quellfassung in Chièvres kontaminiert. Das Wasser wird von dort aus in einen Wasserturm gepumpt, der die ganze Gegend mit Trinkwasser versorgt. Laut RTBF geht es hier um rund 4.300 Anschlüsse, in zwölf Dörfern mit insgesamt rund 12.000 Einwohnern.
Werte lagen um das Dreifache der künftigen EU-Norm
Die RTBF ist auf Dokumente gestoßen, auf denen Messwerte aufgelistet sind: Die ermittelten PFAS-Konzentrationen sind viel zu hoch. Nur wurden diese Werte nie öffentlich gemacht.
Das Problem lässt sich anscheinend eingrenzen: Zwischen Oktober 2021 und März 2023 enthielt das Wasser aus besagtem Wasserturm PFAS-Konzentrationen, die um das Dreifache über der künftigen EU-Norm liegen, die 2026 in Kraft tritt.
Die wallonische Wassergesellschaft SWDE wusste von diesen hohen PFAS-Konzentrationen. Und doch hat man die Wasserversorgung nicht eingestellt. "Aus dem einfachen Grund, dass es trinkbar war", sagte in der RTBF Benoit Moulin, Sprecher der SWDE. Das Wasser entsprach in allen Punkten den geltenden Normen, es gab also keinen Grund, die Versorgung zu unterbrechen. "Und was ist mit der Norm von 2026, die doch immerhin um das Dreifache überschritten wurde?", fragt der RTBF-Journalist. "Nun", so sagt der Sprecher: "Wie Sie schon richtig sagen, gilt diese Norm ja erst ab 2026".
Diese Antwort klingt dann doch ein wenig zynisch, zumal wenn man weiß, dass das Ganze nicht ohne Folgen geblieben ist. Die RTBF ist auf eine Familie gestoßen, deren Tochter an einer medizinischen Studie teilgenommen hatte. Wie sich herausstellte, waren die PFAS-Konzentrationen im Blut von Lucie Carels viel zu hoch. "Wir haben hin und her überlegt, wo da wohl die Ursache liegen könnte", sagt ihre Mutter, Virginie Delbart. "Und dann haben wir noch die letzte noch verbliebene Teflonpfanne weggeschmissen."
Örtliche Behörden wurden nicht informiert
Jetzt weiß man, dass eben nicht die Pfannen schuld waren, sondern das Leitungswasser. Das Schlimmste ist aber, dass niemand von der Kontamination wusste. Das gilt allen voran für die örtlichen Kommunalbehörden. "Ich entdecke das im selben Augenblick wie Sie", sagt Olivier Hartiel, der Bürgermeister von Chièvres. Das sei doch schon sehr beängstigend. Und er sei sauer auf die SWDE. Denn hier geht es doch schließlich um Trinkwasser, da darf man doch transparente Kommunikation erwarten. So wie der Bürgermeister von Chièvres reagieren viele in den betroffenen Ortschaften. Immer dieselbe Frage: "Warum hat man uns nicht informiert?"
Immerhin hat die Wassergesellschaft ihre Infos zumindest – man könnte sagen – "nach oben gekabelt". Die RTBF hat eine E-Mail einsehen können, aus der hervorgeht, dass die zuständige wallonische Umweltministerin Céline Tellier über das Problem in Kenntnis gesetzt wurde. Das war im Januar 2022. Doch auch in Namur hat man es offensichtlich nicht für nötig befunden, irgendwas zu unternehmen.
Umweltministerin gelobt Besserung
Tellier hatte zunächst sämtliche Interview-Wünsche abgelehnt. Am Donnerstagabend nahm die Ecolo-Ministerin dann aber doch in der RTBF erstmals Stellung zu den Vorwürfen. Und da gab es erst mal ein Mea Culpa: Sie habe vollstes Verständnis dafür, dass die Leute sich hier eine andere Vorgehensweise gewünscht hätten. Zugleich gelobt die Ministerin auch Besserung. So habe sie unter anderem die SWDE dazu angehalten, in Zukunft auch Probleme zu melden, die künftige Normen betreffen, die also noch in Kraft treten müssen.
Das Ganze hat nichtsdestotrotz in der betroffenen Region für mächtig Unruhe gesorgt. In einigen Gemeinden wurden die Schulen sogar dazu angehalten, den Schülern den Genuss von Leitungswasser zu verbieten und auf Flaschenwasser umzusteigen. Das Ursprungsproblem ist inzwischen anscheinend gelöst. In besagter Quellfassung wurde ein moderner Aktivkohlefilter installiert, der PFAS eliminiert.
Roger Pint
Den Verantwortlichen sollte man noch vor dem Gerichtsprozesse fristlos kündigen und alle bürgerlichen Rechte entziehen.