In unserer Welt funktioniert Wettbewerb im Wesentlichen wie folgt: In einer bestimmten Branche versucht jeder, sein Produkt an den Mann und an die Frau zu bringen und dabei seine Marktanteile möglichst immer weiter zu steigern. Das geht nur, indem man der Konkurrenz die Kunden abjagt. Das wäre eigentlich der Normalfall. Im Bankensektor sieht man genau das aber eben nicht. Zu diesem Schluss kommt jetzt auch die zuständige Wettbewerbsbehörde. Die hatte sich im Auftrag des föderalen Wirtschaftsministers Pierre-Yves Dermagne den Bankensektor einmal genauer angesehen.
Für diese Untersuchung gab es auch einen konkreten Anlass: Schon seit Monaten macht die Politik Druck auf die Banken, damit die endlich ihre Sparzinsen erhöhen. Das war sogar einer der Hauptgründe, warum die Föderalregierung den Staatsbon aufgelegt hatte. Der hatte auch einen Bombenerfolg: Über 22 Milliarden Euro investierten die Belgier in das Produkt. Eigentlich hatte man gehofft, dass dadurch die Banken aus der Reserve gelockt, dass die dann auch mal attraktivere Renditen bieten würden. Passiert ist nichts, oder zumindest nicht sehr viel. Jeder ahnt warum: Mangelnder Wettbewerb, die Banken lassen einander in Ruhe.
Bericht "vernichtend" für den Bankensektor
Die Wettbewerbsbehörde bestätigt jetzt genau diesen Verdacht. Ihr Bericht, den bislang nur einige Zeitungen einsehen konnten, sei regelrecht "vernichtend" für den Bankensektor. Erste und wichtigste Feststellung ist die Tatsache, dass sich die vier Platzhirsche wenn, dann nur sehr zaghaft Konkurrenz machen. Gemeint sind die vier großen "historischen" Player - BNP Paribas Fortis, KBC, Belfius und ING. Diese vier Großbanken zeigten viele Anzeichen eines Oligopols, heißt es in dem Bericht. Grob und salopp zusammengefasst: Oligopol, das heißt: Die vier Großen beherrschen den Markt, bieten dabei im Großen und Ganzen vergleichbare Produkte an, was zur Folge hat, dass der Kunde nicht den Eindruck hat, dass das Gras irgendwo anders grüner ist.
Wirtschaftsminister Dermagne wird mit einem Vergleich zitiert, der es auf den Punkt bringt. "Die Großbanken verhalten sich wie Radprofis, die im Peloton fahren." Wenn man diese Metapher weiterspinnt: Da gibt es dann auch keinen Ausreißer, der versucht, die anderen zu distanzieren. Nein, alle bleiben brav im Hauptfeld, um dann möglichst gemeinsam über die Ziellinie zu fahren. Niemand lanciert mal einen wirklichen Preisbrecher, um den anderen Kunden abzujagen, niemand bietet plötzlich ein Sparprodukt an, das wirklich mal spürbar bessere Konditionen bietet als die Konkurrenz. Und mangelnder Wettbewerb geht immer auf Kosten der Verbraucher. Der Leittragende ist denn auch der gemeine Sparer, der sich weiter mit mickrigen Renditen begnügen muss.
Handlungsempfehlungen
Das alles ist so aber nicht in Stein gemeißelt, muss nicht so bleiben, heißt es im Bericht der Wettbewerbsbehörde. Die spricht auch eine Reihe von Handlungsempfehlungen aus, die auch nicht immer schwer in die Tat umzusetzen wären. Zum Beispiel wird dafür plädiert, die sogenannte Treueprämie abzuschaffen. Es ist so, dass sich die Rendite zusammensetzt aus einem Zinssatz und einer solchen Treueprämie, wobei da aber unterschiedliche Konditionen gelten können. Mit dem Resultat, dass kein Normalsterblicher wirklich vergleichen kann, ob ein Sparprodukt bei einer anderen Bank nun wirklich attraktiver ist oder nicht. Schafft man diese Treueprämie ab, wird das Ganze schon viel transparenter. Eine andere Idee der Wettbewerbsbehörde wäre es, dafür zu sorgen, dass Kunden, die die Bank wechseln wollen, ihre bisherigen Kontonummern mitnehmen können. So würde die Hemmschwelle niedriger.
Diese und auch andere Empfehlungen werde er sich zusammen mit dem Kollegen Dermagne in jedem Fall mal genauer anschauen, zitieren L'Echo und De Tijd den föderalen Finanzminister Vincent Van Peteghem. Denn es bleibe die Absicht der Regierung, dafür zu sorgen, dass die Sparer am Ende ein gerechteres Stück vom Kuchen abbekommen. Dermagne und Van Peteghem sehen sich jedenfalls in ihrem Verdacht bestätigt. Der Bericht der Wettbewerbsbehörde scheint auch ausreichend Munition zu liefern, um den Bankensektor mal aufzuscheuchen.
Roger Pint