Aus den sogenannten "NarcoFiles" erfährt man, dass Belgien nicht nur beim Import von Kokain, sondern auch bei der Herstellung der Drogen immer wichtiger wird. Sieben Millionen E-Mails der Staatsanwaltschaft in Kolumbien wurden gehackt und anschließend von einem Konsortium investigativer Journalisten ausgewertet, darunter auch Journalisten von Knack und De Tijd.
Laut den Journalisten ist es das größte jemals bekannt gewordene Leck von Gerichtsdokumenten über den Kokainhandel aus Südamerika. Der E-Mail-Verkehr der Staatsanwaltschaft erlaubt einen tiefen Einblick in die Organisation der kolumbianischen Drogenbanden und ihre internationale Zusammenarbeit. Demnach spielt auch Belgien eine immer wichtigere Rolle - und zwar auch bei der Herstellung der Droge.
Erstes Kokain-Lab bei Charleroi aufgeflogen
Europol beobachtet schon seit ein paar Jahren, dass die Drogenbanden die Kokain-Produktion nach Europa verlagern. Koks-Labore in Spanien und den Niederlanden sind schon mehrfach entdeckt worden. Aber neu ist, dass die Drogenbanden jetzt auch in Belgien produzieren lassen.
Das erste Kokain-Lab wurde in Marcinelle bei Charleroi entdeckt. Geschätzte Kapazität: Eine Tonne Kokain pro Monat.
Drogenbanden reagieren auf intensivierte Zollkontrollen
Aus Sicht der Drogenbanden macht es durchaus Sinn, die Produktion nach Europa zu verlagern. Der wichtigste Grund ist wohl, dass der Zoll den Drogenschmugglern immer öfter und immer fester auf den Füßen steht. Gefühlt werden fast täglich neue Rekorddrogenfunde aus dem Antwerpener Hafen gemeldet.
Die Drogenbanden haben Überfälle auf Zolldepots verübt, um ihr beschlagnahmtes "Eigentum" zurückzuholen. Erst am Wochenende waren zwei Hafenarbeiter im Waasland-Hafen bei einem solchen Überfall gefesselt und mit einem Messer bedroht worden. Die Kokapaste hingegen fängt der Zoll selten ab.
Ein weiterer Grund könnte sein, dass es in Südamerika schwieriger wird, an die Chemikalien für die Herstellung von Koks zu kommen.
Drogenmarkt nicht länger in Händen von wenigen Kartellen
Für die Ermittlungsbehörden folgt aus dieser Entwicklung, dass sie an einer weiteren Front gegen die Drogenkriminalität kämpfen muss.
Zudem haben die "NarcoFiles" eine weitere ziemlich ernüchternde Tatsache enthüllt: Der internationale Drogenhandel wird gar nicht von einigen wenigen, alteingesessenen Kartellen bestimmt, wie das allgemein angenommen wird. Stattdessen ist dieser Markt wohl ständig im Fluss.
Banden kommen und gehen, mal arbeiten sie zusammen, mal stehen sie in erbitterter Konkurrenz. Das macht es auch für die Ermittlungsbehörden sehr schwer. Das Ganze erinnert fast an eine Hydra: Schlägt man einen Kopf ab, wachsen zwei nach.
tijd/knack/vrt/sh