"Ich habe die Presse kurzfristig zusammengerufen, um über den letzten Stand bei der Untersuchung der Hintergründe des Terroranschlags vom vergangenen Montag zu informieren": Kurz nach 19 Uhr Freitagabend ist es, als Justizminister Vincent Van Quickenborne vor die Journalisten tritt - zur besten Sendezeit in Flandern, wenn auf allen wichtigen Fernsehkanälen die Abendnachrichten laufen. Es muss also sehr wichtig sein, jeder im Raum und wohl auch an den Bildschirmen weiß das. Und tatsächlich: Was Van Quickenborne zu sagen hat, das ist gleich in mehrfacher Hinsicht ein Hammer.
Seine Mitarbeiter hätten seit dem Anschlag vom Montagabend unter Hochdruck versucht, die Hintergründe des Terroranschlags auszuleuchten. Sie wollten herausfinden, warum der Attentäter unter dem Radar bleiben konnte, warum er durch die Maschen schlüpfen konnte. "Heute Morgen habe ich dann aber eine neue Information erhalten", sagt Van Quickenborne. Demnach habe Tunesien am 15. August vergangenen Jahres die Auslieferung von Abdesalem Lassoued beantragt - des Mannes, der am vergangenen Montagabend zwei schwedische Fußballfans erschossen und einen weiteren schwer verletzt hatte.
Dieses Gesuch sei am 1. September ordnungsgemäß der Brüsseler Staatsanwaltschaft übermittelt worden. Der zuständige Magistrat habe den Antrag aber nicht bearbeitet, "es ist also liegengeblieben", sagt Van Quickenborne. Da dürfte der eine oder die andere dann doch mal große Augen gemacht haben. Der Brüsseler Attentäter hätte also gar nicht mehr in Brüssel sein dürfen, er hätte demnach seine Bluttat nie begehen können.
"Das ist ein individueller Fehler, das ist ein grober Fehler, das ist ein inakzeptabler Fehler, das ist ein Fehler mit dramatischen Folgen", sagt Van Quickenborne sichtbar zerknirscht. In der Tat ändert das alles. Wie soll der Justizminister jetzt mit dieser haarsträubenden und zugleich tragischen Panne umgehen?, fragt man sich noch.
Aber Van Quickenborne ist noch nicht fertig: Als Justizminister könne und wolle er sich nicht in die Arbeit der Justiz bzw. von einzelnen Magistraten einmischen. Und doch fühle er sich für diesen Fehler politisch verantwortlich. Er suche denn auch keine Ausreden, keine Entschuldigungen. Vielmehr habe er dem Premierminister all diese Informationen übermittelt und bei der Gelegenheit auch seinen Rücktritt eingereicht. Und das ist dann gleich der nächste Hammer.
Damit hatten wohl die wenigsten gerechnet, denn in den letzten Jahren war es eigentlich nicht mehr vorgekommen, dass ein Minister oder Staatssekretär zurückgetreten ist wegen eines Fehlers in seiner Verwaltung oder in einer ihm unterstehenden Behörde. Aber diese Panne treffe ihn mitten ins Herz, sagt der Justizminister, inzwischen sichtlich bewegt.
An seiner Seite steht Johan Delmulle, der Generalprokurator von Brüssel. Der Fehler ist "seinem Haus" unterlaufen. Er habe also versucht zu ergründen, wie das passieren konnte. Und er könne nur feststellen, dass im vergangenen Jahr 31 vergleichbare Auslieferungsanträge bei der Brüsseler Staatsanwaltschaft eingegangen seien. Eine solche Panne habe sich nur ein einziges Mal ereignet, eben dieses eine Mal. Es habe sich nach seinem derzeitigen Kenntnisstand offensichtlich um eine Verkettung unglücklicher Umstände gehandelt.
Vincent Van Quickenborne zieht in jedem Fall seine Konsequenzen daraus. Mit ihm verliert Premierminister Alexander De Croo nicht nur einen langjährigen Weggefährten, sondern auch einen extrem wichtigen Verbündeten, seinen Mann fürs Grobe. Beobachter glauben denn auch, dass Van Quickenbornes Rücktritt die Vivaldi-Regierung nachhaltig destabilisieren kann.
Vincent Van Quickenborne selbst blieb nur noch eins: Er wolle sich im Namen der Justiz entschuldigen, bei den Opfern und Angehörigen, sowie bei der schwedischen und auch der belgischen Bevölkerung.
Roger Pint
Herr Van Quickenborne zieht das Büßerhemd an und macht Wahlkampf.
Hoffen wir mal, daß der zuständige Magistrat auch seines Amtes enthoben wird, und anständig bestraft wird, und dann wird die Justiz hoffentlich mal wach und sorgt dafür, daß abgelehnt Asylbewerber schneller abgeschoben werden .Traurig, daß 2 Menschen dafür sterben mussten