Conner Rousseau hat sich entschuldigt. Doch die Affäre Rousseau geht weiter. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nämlich immer noch gegen ihn. Das Damokles-Schwert eines Prozesses schwebt weiter über dem Vorsitzenden von Vooruit.
Dabei ist immer noch nicht wirklich bekannt, um welche Worte es genau geht, die zu dem Skandal geführt haben. Rousseau wollte sich dazu am Donnerstag nicht äußern, nahm auch nie das Wort Rassismus in den Mund.
Die Zeitung Het Laatste Nieuws jedoch will wissen, was Rousseau gesagt hat. Sie zitiert am Freitag Rousseau aus dem Gespräch mit den Polizisten. Die Roma soll Rousseau demnach als "braune Männer" bezeichnet und den Polizisten folgenden Ratschlag gegeben haben: "Sie sollten ihnen gegenüber öfter mal den Schlagstock benutzen. Das ist einzige Möglichkeit, um sich bei ihnen Respekt zu verschaffen".
Worte, die schockieren - nicht nur die betroffenen Roma in Sint-Niklaas selbst, führende Politiker anderer Parteien, sondern auch die Mitarbeiter des Föderalen Zentrums für Chancengleichheit Unia. Leiterin Els Keytsman sagte am Freitag gegenüber der VRT: "Wenn die Zitate stimmen, dann ist das für uns mehr als eine unglückliche verbale Äußerung. Dann ist das für uns ein bewusster Aufruf zur Diskriminierung und zur Anwendung von Gewalt."
Unia beschäftigt sich mit dem Fall
Anders als Rousseau spricht die Unia-Leiterin offen von Rassismus, um den es hier gehen könnte. Unia werde den Fall jetzt aufgreifen, sich Informationen beschaffen. Und das auch, weil die Äußerungen nicht von irgend einem Bürger gemacht wurden. "Wir sprechen hier über jemanden, der zum Parteivorsitzenden gewählt wurde und in Sint-Niklaas sehr bekannt ist. Er hat mit Polizisten gesprochen, die im Dienst waren. Dadurch bekommen seine Äußerungen ganz von selbst mehr Gewicht."
Sollten sich alle bislang kolportierten Worte und die Vorfälle im Einzelnen bestätigen, dann, so sagt es Keytsmans Amtskollege Patrick Charlier bei der RTBF, hätte Unia es mit einem Vergehen zu tun, das im Gesetz gegen Rassismus als strafwürdig vorgesehen sei. "Man könnte dann", so Charlier weiter, "eine Klage einreichen, und der Verwaltungsrat von Unia könnte auch entscheiden, als Zivilkläger an einem Prozess teilzunehmen".
Für Rousseau sind das alles andere als gute Nachrichten. Er kann darauf hoffen, dass schon bei den Ermittlungen gegen ihn klar werden könnte, dass er bislang nie als Rassist aufgefallen ist. Ein Umstand, der die Aussicht auf einen erfolgreichen Prozess gegen ihn von vornherein verringert. Maximal würden Rousseau bei einer Verurteilung laut RTBF ein Jahr Haft und 8.000 Euro Strafgeld drohen.
Rousseau selbst wertet seinen Fall übrigens fast schon natürlich nicht als möglichen Gegenstand einer Straftat. Vor Gericht sieht er sich nicht. Noch am Donnerstagabend danach befragt sagte er: "Das muss natürlich die Staatsanwaltschaft entscheiden. Aber ich finde nein. Dafür muss eine Absicht vorliegen. Man muss jemanden vorsätzlich verletzen, vorsätzlich beleidigen, und man muss sich wirklich mit Absicht gegen eine Gruppe aussprechen. Davon kann man bei mir nicht sprechen".
Kritik auch aus eigener Partei
Unterdessen mehren sich auch bei den flämischen Sozialisten von Vooruit die kritischen Stimmen zum Verhalten des Parteivorsitzenden Conner Rousseau. Sowohl flämische Regionalpolitiker als auch Föderal- und Europapolitiker der Partei werten es grenzwertig, wie Rousseau sich über Roma geäußert hat.
Die Sektion der Jungsozialisten von Vooruit in Gent entzog Rousseau sogar ihr Vertrauen. Rousseau habe durch seine Worte und sein Verhalten eine rote Linie überschritten, begründen die Jungsozialisten aus Gent. Außerdem sei es nicht das erste Mal, dass Rousseau mit solchen "hasserfüllten" Worten über benachteiligte Bevölkerungsgruppen rede.
Als "schrecklich und komplett falsch" wertet die Vooruit-Fraktionschefin im flämischen Parlament, Hannelore Goeman, die Äußerungen ihres Parteivorsitzenden. So etwas dürfe nicht noch einmal passieren, schrieb sie auf dem Nachrichtenportal X.
Die Brüsseler Staatssekretärin Ans Persoons, der Föderalabgeordnete Joris Vandenbroucke und die EU-Abgeordnete Kathleen Van Brempt sind weitere prominentere Vooruit-Politiker, die sich entrüstet und enttäuscht über Rousseau geäußert haben.
Kay Wagner
Es scheint ein Hobby der neuen Generation von Politikern zu sein, sich sinnlos zu besaufen und sich dann noch in aller Öffentlichkeit daneben zu benehmen (gegen Polizeiautos pinkeln, oder wie hier rassistische Bemerkungen und Aufforderungen gegenüber der Polizei zu äußern...) Kann ja heiter werden. Wir steuern in Belgien wie in Europa international auf einen Rechtsradikalismus zu, den wir jahrzehntelang dachten, überwunden zu haben. Gut, dass ich nicht mehr allzulange leben muss, die mittelfristige Politik brauche ich hoffentlich nicht mehr zu mitzumachen.