Alle drei großen Gewerkschaften, dazu noch Amnesty International, Greenpeace und die Menschenrechtsliga: Alle sind besorgt wegen des neuen Gesetzes. Künftig soll es möglich sein, dass ein Richter Demonstrationsverbote gegen gewalttätige Demonstranten aussprechen darf. Dafür muss das Vergehen schwerwiegend sein. Das Verbot, an Demonstrationen teilzunehmen, soll drei Jahre lang gelten.
"Es geht um Menschen, die Polizisten angreifen und deren Arbeit erschweren", erklärte Vincent Van Quickenborne am Donnerstag auf Nachfrage der VRT. Es gehe um Menschen, die Fahrzeuge in Brand stecken, Geschäfte plündern und Fensterscheiben zerstören. Kurz: Es gehe um schwere Taten, betonte der für das Gesetz verantwortliche Justizminister. Wenn jemand Eier werfe, einen Polizisten anschreie, jemanden in einem Gebäude festsetze oder sich jemand irgendwo festbinde, dann solle das neue Gesetz nicht angewendet werden.
Bei den Demonstranten am Donnerstag kam diese Botschaft nicht an. Beziehungsweise ziehen sie die Äußerungen von Van Quickenborne in Frage. Außerdem fürchten sie, dass man mit dem Gesetz Tür und Tor öffnet für weitere, noch restriktivere Maßnahmen, um das Demonstrationsrecht einzuschränken. "Das große Problem ist die Interpretationsfreiheit, die einem Richter bei Demos gegeben wird. Ist das Anzünden von Holzpaletten Brandstiftung? Ist die Blockade des Eingangs eines Unternehmens eine Verwüstung des Eigentums eines Unternehmens? Oder wenn man den Eingang mit einer Kette zusperrt? Da können noch ganz andere Situationen kommen, die Fragen nach der Interpretation aufwerfen", sagte Marc Leemans von der Christlichen Gewerkschaft ACV.
"Diejenigen, die Gewalt bei Demonstrationen ausüben, können bereits verurteilt werden. Das ist im Strafgesetzbuch geregelt. Deshalb finden wir das neue Gesetz unnötig. Zumal die neuen Vorschriften nur Demonstrationen zum Ziel haben, auf denen Dinge eingefordert werden. Und wir sind laut Definition Organisationen und Verbände, die etwas einfordern", gab Marie-Hélène Ska von der Christlichen Gewerkschaft CSC zu bedenken.
Einen weiteren Kritikpunkt führte Philippe Hensmans von Amnesty International Belgien an. "Wie hindert man jemanden daran, auf eine Demo zu gehen? Wo es doch jedes Jahr 1.000 Demonstrationen gibt. Wie soll das gehen? Zweitens muss man, wenn man das Gesetz anwenden will, auch überprüfen, dass die Menschen, die demonstrieren, das Recht dazu haben. Wie soll das gemacht werden? Da sind wir dann schnell bei automatischer Gesichtserkennung, Abgleichen mit Datenbanken. Und das alles zusammen zeigt, dass das große Risiken birgt."
Aufforderung an vier Regierungsparteien
Der Protest von Donnerstag war gleichzeitig auch eine Aufforderung an vier der sieben Regierungsparteien. Nämlich die Parteien, die sich traditionell den Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen nahe fühlen: Also die Sozialisten von PS und Vooruit, sowie Groen und Ecolo. Von ihnen erwarten die Demonstranten, dass sie das Gesetz noch stoppen.
Was laut Justizminister Vincent Van Quickenborne nicht passieren wird. Nach möglichem Widerstand innerhalb der Regierung gefragt sagte er "Das ist ein Gesetz der Regierung. Wir haben zweimal darüber beraten innerhalb der Regierung. Es hat die Prüfung des Staatsrats bestanden. Der hat gesagt, dass das Gesetz vereinbar sei mit der Verfassung. Wir starten deshalb weiter damit durch."
"Menschen, die Schaden anrichten, die müssen für den Schaden aufkommen und ihre gerechte Strafe bekommen. Aber diesen Menschen dann ihre Freiheit einzuschränken, auch in der Zukunft für ihre Belange auf die Straße zu gehen, das geht für uns nicht", so Gert Truyens von der liberalen Gewerkschaft ACLVB.
"Es geht um Menschen, die Polizisten angreifen und deren Arbeit erschweren. Um Menschen, die Fahrzeuge in Brand stecken, Geschäfte plündern, Fensterscheiben zerstören. Um solche Menschen geht es", sagt Van Quickenborne.
"Wir müssen achtgeben! Das neue Gesetz kann man auch schon anwenden, wenn man Eier oder Tomaten auf ein Gebäude wirft oder einen Lkw mit Lebensmitteln tagelang blockiert. Das finden wir nicht richtig. Das sind Streikaktionen, und keine extremen Gewaltakte", warnte Thierry Bodson von der sozialistischen Gewerkschaft FGTB.
Kay Wagner