5,5 auf einer Skala bis zehn - so viele Punkte geben die Belgier im Schnitt ihren Regierungen für das Corona-Management. Berechnet haben das Wissenschaftler der KU Löwen und der UCLouvain. Als Grundlage haben sie dafür eine europaweite Umfrage genommen, die sogenannte "European Social Survey". Diese Umfrage gehört zu den international renommiertesten sozialwissenschaftlichen Vergleichsstudien und wird alle zwei Jahre durchgeführt.
Umgerechnet entsprechen 5,5 von zehn gerade mal der Note "ausreichend". Auf den ersten Blick sehe das in der Tat nicht nach einem tollen Score aus, räumt Bart Meuleman im Interview mit der VRT ein. Der Forscher unterrichtet Soziologie an der KU Löwen. Aber für eine Zufriedenheitsumfrage sei das eigentlich ein gutes Ergebnis.
Man müsse sich in die Zeit der Pandemie zurückversetzen und sich vor Augen halten, wie groß die Kritik an den damaligen Maßnahmen gewesen sei, zum Beispiel an den Lockdown-Regeln, der Schließung der Schulen und des Horeca-Sektors oder den Reiseverboten. Wenn die Bürger in diesem Zusammenhang also trotzdem noch die Note "ausreichend" vergäben, dann sei das doch ein deutliches Zeichen. Belgien schneidet übrigens auch im europäischen Vergleich nicht schlecht ab, es landet immerhin auf dem achten Platz von insgesamt 28.
Aus den Umfrageergebnissen lässt sich aber natürlich noch mehr ablesen: Am zufriedensten sind die Belgier demnach mit der Leistung des Gesundheitssystems gewesen. Wesentlich weniger überzeugend finden sie hingegen das Corona-Management in den Alten- und Pflegeheimen. Als Gründe dafür werden beispielsweise die hohe Zahl an Todesfällen in den Heimen genannt und der große Druck auf die dort arbeitenden Menschen.
Regionale Unterschiede
Das Bild ist aber auch nicht vollkommen homogen, führt die Studie aus. Es gebe regionale Unterschiede, so Meuleman, auch wenn man jetzt nicht über Unterschiede wie Tag und Nacht spreche. Im frankophonen Landesteil hätten die Befragten aber angegeben, stärker unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie gelitten zu haben. Auch sei hier die Unzufriedenheit mit der Corona-Politik größer als in Flandern. Das passe aber zu anderen Indikatoren wie etwa dem niedrigeren Impfgrad und dem generell geringeren Vertrauen, das die Politik im Süden genieße.
Einer der wichtigen Befunde der Studie sei, dass wohl vor allem das allgemeine Ver- beziehungsweise Misstrauen in die Politik darüber bestimme, wie die Menschen die Corona-Politik beurteilten. Das Phänomen sei noch ausgeprägter bei Menschen, die auch der Wissenschaft gegenüber allgemein kritisch eingestellt seien. Spezifische Verdienste und Maßnahmen schienen hingegen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen im Vergleich zu persönlichen Ansichten und Überzeugungen.
Alter spielte Rolle bei Beurteilung
Auch das Alter scheint eine Rolle bei der Beurteilung zu spielen. Befragte unter 30 Jahren seien doch deutlich unzufriedener als ältere Generationen. Dies sei möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sie die Schutzmaßnahmen als stärkere und unangenehmere Eingriffe in ihren Lebensstil empfunden hätten.
Noch etwas findet der Experte bemerkenswert: Man sehe eigentlich wenig Polarisierung in den Umfrageergebnissen. Extreme Bewertungen seien selten, die meisten Menschen hätten tatsächlich fünf oder sechs Punkte gegeben, befänden sich mit ihrer Beurteilung also ziemlich in der Mitte. Selbst Menschen, die wirtschaftlich gelitten hätten, seien im Schnitt nicht strenger mit der Politik gewesen. Für ihn bedeute das, dass die Corona-Schutzmaßregeln zwar schmerzhaft gewesen seien, aber dass zumindest ein Großteil der Bevölkerung ihren Sinn verstanden habe und bereit gewesen sei, sie angesichts der Umstände mitzutragen.
Boris Schmidt