Auf dem Parvis Saint-Gilles hatten am Mittwoch noch zahlreiche Kneipen ihre Terrassen bestückt mit Tischen und Stühlen, denn das angenehm warme Wetter lud zu einem Gläschen ein. Doch dann kommt das Unheil: Eine Gruppe von gut 20 jungen Männern nähert sich einer Kneipe, die als Treffpunkt der Fans des Brüsseler Fußballclubs Union Saint-Gilloise gilt. Schnell springen ebenfalls gut 20 Personen auf, die Krawalle nehmen ihren Lauf. Knapp zehn Minuten dauert die Konfrontation, bis die Polizei eintrifft und die Rowdies fliehen. Festgenommen wird niemand, drei Verletzte sind zu beklagen.
Der Bürgermeister von Saint-Gilles regt sich über den Vorfall auf. "Das hat nichts mehr mit der 'Zwanze' zu tun", sagt Jean Spinette (PS) am Donnerstagvormittag im Radio der RTBF und nimmt dabei Bezug auf den Spitznamen, den das Brüsseler Stadtderby zwischen Union Saint-Gilloise und dem Club RWDM aus Molenbeek früher hatte. "Damals hat es zwar auch große Spannungen zwischen den beiden Clubs gegeben. Und vor dem Spiel gab es Prozessionen mit einem Sarg, um klar zu machen, dass die gegnerische Mannschaft sterben, also verlieren wird. Aber hier haben wir es lediglich mit purer Gewalt zu tun."
Gewalt, zu der sich die Rowdies allem Anschein nach verabredet hatten, sagt der Bürgermeister - wohl bewusst am Abend vor dem Spiel und nicht erst am Abend selbst. Denn für Donnerstag waren Sicherheitsmaßnahmen schon angekündigt worden. Ob die Sicherheitsmaßnahmen, die für Donnerstagabend geplant sind, nach den Krawallen am Mittwoch ausreichen werden? Man werde überlegen, sagt Bürgermeister Spinette, weist aber allzu strenge Sicherheitsmaßnahmen entschieden zurück. "Die Stadt muss weiter leben. Wir werden die Stadt nicht dicht machen, nur weil eine Begegnung auf einem Platz stattfinden wird."
Anstoßzeit zu früh
Dabei hatte die Zwanze (ein Wort, das Teil der Brüsseler Volkskultur ist und soviel wie "Witz" bedeutet) schon vor den Krawallen für andere Schlagzeilen gesorgt. Die Anstoßzeit wurde nämlich auf 18:30 Uhr festgelegt. Viel zu früh bei einem Spiel unter der Woche, fanden Fans beider Mannschaften. Denn um 18:30 Uhr kann noch kaum jemand im Stadion sein, ohne seinen Alltag mit Beruf und Familie auf den Kopf zu stellen.
Die Fans protestierten, doch der Verband hält an der Anstoßzeit fest - wegen einer Live-Übertragung im Fernsehen. Gegen diesen Kniefall vor dem Geld und die Kommerzialisierung ihres Sports auf Kosten der eigenen Fans machen am Donnerstag beide Fanlager mobil. Die meisten Fans von Union wollen erst gar nicht ins Stadion gehen. Die Fans von RWDM wollen erst ab 19:30 Uhr im Stadion sein. Zu einer Zeit, zu der sie sich den Anstoß frühestens gewünscht hätten.
Kay Wagner