Es ist nicht viel los um kurz vor 10 Uhr vor dem großen Hangar in der Brüsseler Stadtgemeinde Anderlecht, direkt am Kanal. Vor dem Gebäude, an dem die rote Fahne von Marokko hängt, steht einsam ein beladener Rollstuhl. Ein paar Meter weiter sitzt Ahmed. Er sei gekommen, um verschiedene Dinge, Krücken und einen Rollstuhl für Behinderte abzugeben, erzählt er bereitwillig. Und fügt hinzu: "Wir sind doch alle davon betroffen. Es geht hier doch vor allem um Menschen."
Kurz darauf fährt ein Auto vor, hält an. Stéphane steigt aus. Er komme aus Wavre, sei beruflich gerade in Brüssel, und sein Chef sei so nett gewesen, ihm eine Stunde Zeit zu geben, Sachen an der Sammelstelle für Marokko abzugeben. Gemeinsam mit seinem achtjährigen Sohn hätte er geschaut, was sie alles abgeben könnten.
Stolz zeigt Stéphane den voll gepackten Laderaum seines Combis. Kleider, Kinderspielzeug und andere Dinge, alles in Kartons und großen Säcken verpackt, sind dort zu sehen.
Stéphane kennt Marokko, war öfters in Marrakesch, kennt auch das Atlas-Gebirge, wo die Lage zurzeit besonders schwierig ist. Seine Hilfe? "Das ist natürlich nur wie eine Stecknadel im Heuhaufen", sagt er dazu. "Aber wenn man immer mal eine kleine Sache machen kann."
Und dann kommt Lotfi. Er ist gewählter Schöffe in Anderlecht, von der PS, wie er auf Nachfrage sagt. Aber das Politische spiele hier keine Rolle, betont er. Die Sammelstelle sei auf Initiative von sechs Brüsseler Stadtgemeinden hier eingerichtet worden. Man habe ihn gebeten, das zu koordinieren.
Das laufe sehr gut. Auch wenn es heute früh noch sehr leer aussieht. Am Vortag hätten sie erst um 20 Uhr Schluss gemacht. "Die Leute sind alle erschöpft und müde", sagt er von seinen Mitarbeitern.
Die trudeln erst jetzt nach und nach ein. Keiner von ihnen muss diese Arbeit tun, alle sind freiwillig hier. Lotfi hat den Hangar geöffnet und erklärt, was dort zu sehen ist. Lang haltbare Lebensmittel wie Konserven, Müsli-Riegel und Getränke in Plastikflaschen stehen dort, medizinische Geräte, viele Matratzen, Decken und sogar Elektro-Generatoren.
"Hier tun wir alles in Kartons, wählen aus, verteilen Nummern. Dann kommt Plastikfolie drum, und wird alles auf Paletten gestapelt für den Transport im Flugzeug oder Lkw Richtung Marokko."
Eine Handvoll Autos sind mittlerweile auch schon an der Sammelstelle vorgefahren, haben ausgeladen und sind wieder verschwunden. Gebrauchte und sogar neu gekaufte Matratzen, Decken und Schlafsäcke werden vor allem abgegeben. Aber auch Kindersitze, Windeln und Babynahrung. Das wird im Verlauf des Tages immer mehr werden, sagt Lotfi.
Bis nächsten Mittwoch noch soll die Sammelstelle offenbleiben. Der geplante Umzug am Montag aufs Heysel-Gelände werde jetzt doch nicht vollzogen. Den Plan habe man bei der Stadt wieder fallen gelassen.
Grund dafür sei aber nicht die mangelnde Spendenbereitschaft der Menschen. Sondern die Vielzahl der unterschiedlichen Initiativen, den Erdbebenopfern zu helfen. Dann muss Lotfi wieder nach draußen, seinen Mitarbeitern helfen, die Spenden von zwei Damen – eine Kindermatratze und Taschenlampen - in Empfang zu nehmen.
Kay Wagner