Die PFAS-Werte in der Seeluft in Knokke-Heist sind "signifikant" höher als in städtischen Gebieten wie Borgerhout in Antwerpen oder auch ländlichen Gebieten wie Dessel in der Provinz Antwerpen. Das ist zusammengefasst der wichtigste Befund einer neuen Studie der unabhängigen flämischen Forschungseinrichtung Vito. Zur Erinnerung: Substanzen der PFAS-Familie sind auch als "Forever Chemicals", also "Für-die-Ewigkeit-Chemikalien", bekannt und kommen in allen möglichen Produkten zur Anwendung. Sie stehen im Verdacht, potenziell ernste Gesundheitsschäden verursachen zu können.
Vito weist zwar ausdrücklich darauf hin, dass es sich um eine erste Studie in kleinem Rahmen handelt, allerdings gibt es auch schon wissenschaftliche Untersuchungen aus anderen Regionen der Welt. Entlang der norwegischen und niederländischen Küsten inklusive der Wattinseln seien im Dünenboden erhöhte Konzentrationen an PFAS nachgewiesen worden, so Jacob De Boer gegenüber der VRT. Er ist Toxikologe an der Freien Universität Amsterdam. Man spreche hier zwar nicht über extreme Konzentrationen, aber doch auch über höhere als im Inland. Das Frappierende in allen Fällen: Eigentlich sollte es an diesen Orten keine PFAS-Quellen geben, schließlich reden wir nicht von der Umgebung eines Betriebes, der PFAS verwendet oder produziert, wie etwa die berüchtigte 3M-Fabrik in Zwijndrecht.
Wie also kommt das PFAS in die Seeluft und von dort aus an die Küste und die Dünen? Studien hätten gezeigt, dass auch Meerschaum, also die Gischt, viel PFAS enthalte, erläutert De Boer. Außerdem gebe es Experimente zur Reinigung von Abwässern von PFAS durch Durchsprudeln mit Luftblasen. Bei diesen Experimenten habe sich das PFAS an der Oberfläche an den Luftblasen angereichert. Die aktuelle Arbeitshypothese sei also, dass sich dieser Prozess auch im Meer abspiele und das PFAS dann von Wind und Sturm an die Küste geblasen werde.
Diese Befunde sind für den Toxikologen durchaus besorgniserregend. Allerdings weniger wegen einer akuten Gefahr für die Gesundheit der Menschen an der Küste, denn noch sei die PFAS-Konzentration zu gering dafür. Natürlich könnten die Menschen weiter an der Küste spazieren gehen, betont De Boer, sie sollten nicht davon ausgehen, dass das jetzt ungesund sei. PFAS werde aber nicht abgebaut. Je mehr neues PFAS dazu komme, desto weiter erhöhe sich also die Konzentration. Und irgendwann werde der gesundheitsbedenkliche Grenzwert dann auch überschritten.
Die hohen PFAS-Werte an der Küste seien also wirklich ein Signal, dass endlich durchgegriffen werden müsse. Und Durchgreifen kann für den Toxikologen nur eines bedeuten: Die Zufuhr an PFAS müsse gestoppt, der Hahn wirklich zugedreht werden. Denn so etwas wie Technologien oder Möglichkeiten zur Reinigung der Seeluft von PFAS gebe es einfach nicht. Es gebe auch schon einen Gesetzesvorschlag, um PFAS zu verbieten, so De Boer.
Er ist sich aber auch des Widerstands der Wirtschaft bewusst, denn schließlich ist PFAS wegen seiner wasser- und schmutzabweisenden Eigenschaften eine fast allgegenwärtige Substanz in vielen Produkten. Er hoffe also, dass die Europäische Kommission trotz der mächtigen PFAS-Lobby standhaft bleibe und die Chemikalie künftig verbieten werde. Auch, damit wir uns in Zukunft keine Gedanken darüber machen müssen, ob das Einatmen von Seeluft wirklich noch unbedenklich ist.
Boris Schmidt
mich wundert sehr, dass es keine Untersuchungen darüber gibt, wie PFAS sich auf wachsende Gehirne auswirken. das Fiasko mit Blei im Benzin ist nicht lange her. Man sollte sich an die erhöhte Anzahl von Gewaltverbrechen wegen der Blei in der Luft noch erinnern. Höhere Konzentrationen von PFAS führen zu aggressiven Verhalten bei Kühen. Neuerdings gab es Meldungen über zwei aggressive Kühe, die Wanderer im Südtirol angegriffen haben. Es wäre auch möglich, dass massenhafte auftreten von ADHS bei Kindern auch in Verbindung zu PFAS steht. Die Industrie sollte sich schämen die Gesundheit von Menschen als weniger wichtig als Technologie zu bewerten, und statt zu jammern, nach anderen Technologien suchen, die PFAS ersetzen könnten, aber ohne Probleme für die Umwelt.